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Politik: „Johannes Rau hat uns gut getan“

Ein Nachruf von Rita Süßmuth

Mit einem Staatsakt nimmt Deutschland an diesem Dienstag um 11 Uhr Abschied vom verstorbenen Altbundespräsidenten Johannes Rau. Im Berliner Dom werden Bundespräsident Horst Köhler, das österreichische Staatsoberhaupt Heinz Fischer sowie der frühere SPD-Vorsitzende Hans- Jochen Vogel Reden halten. Den Trauergottesdienst gestaltet der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber. Zu dem Staatsakt für den SPD-Politiker werden 1500 Gäste aus dem In- und Ausland erwartet. Nach einem militärischen Abschiedszeremoniell vor dem Dom wird Johannes Rau am frühen Nachmittag auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte begraben. Die Beisetzung findet im engsten Familienkreis statt. Für den Tagesspiegel hat die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth den folgenden Nachruf verfasst:

„Als Politiker hat Johannes Rau eine große Karriere gemacht. Aber Karriere war für ihn nicht alles. Er hat – wie nur wenige – menschliche Kräfte freigesetzt. Er wollte nicht ausgrenzen sondern integrieren. Er vereinte in seiner Person Verständnis und Anspruch zu einer einzigartigen Ausstrahlung. Sein Vermächtnis gründet vor allem in seiner Art mit den Menschen umzugehen. Er hat uns, er hat Deutschland gut getan.

Ihm war bewusst, dass unterschiedliche Kulturen und Nationen in einer pluralen Gesellschaft nur dann zusammenleben können, wenn – wie er es formulierte – „die Neutralität des freiheitlichen Staates den Weltanschauungen gegenüber nicht verwechselt wird mit einer Neutralität der Gesellschaft gegenüber diesen Fragen“. Gerade in der jetzt wieder hitzig diskutierten Frage des friedlichen Zusammenlebens aller Menschen in unserem Land hat Johannes Rau klare Antworten hinterlassen, derer wir uns erinnern sollten.

Wer auf dieser Grundlage den Auftrag zur Gestaltung einer Integrationspolitik annimmt, der muss sich nicht Beliebigkeit vorwerfen lassen, weil er scheinbar seine eigenen Überzeugungen relativiert. Im Gegenteil: Die große zivilisatorische Leistung der abendländischen Kultur besteht gerade darin, zu akzeptieren, „dass Menschen, die Nachbarn sind, ganz Unterschiedliches für wahr halten und auch manches tun, was der jeweils andere für unbegreiflich hält".

Johannes Rau ermutigte nicht nur, er wagte auch. Er hinterlässt uns einen klaren politischen Auftrag, an die große Aufgabe der Integration jener Menschen heranzugehen, die im Laufe der Jahrzehnte bereits zu uns gekommen sind und auch in Zukunft zu uns kommen werden. Deutschland soll und muss für jene Zuwanderer attraktiver werden, auf die wir dringend angewiesen sind und seine humanitären Verpflichtungen gegenüber jenen einlösen, die uns brauchen.

Mit dem neuen Zuwanderungsgesetz ist ein erster, wichtiger Schritt erfolgt. Weitere Schritte auf internationaler Ebene müssen folgen. Johannes Rau sprach von der Einbettung der Flüchtlingspolitik in die allgemeine Migrationspolitik – eine Perspektive, die den Realisten und Christen umtrieb: „Wir können die Unterscheidung nicht aufgeben, ob jemand als Verfolgter, auf der Suche nach Wohlstand oder aus familiären Gründen zu uns kommt, aber wir müssen nach besseren Lösungen suchen, um der Mischung der Phänomene und der Motive noch besser gerecht zu werden."

Die Macht des Bundespräsidenten liege im Wort – so meinen viele. Das politische Vermächtnis von Johannes Rau liegt in der Übereinstimmung von Wort und Tat. Er lebte vor, was er dachte und in Reden einforderte.

– Die Eindeutigkeit in unserem Verhältnis zu Israel und seinen Menschen. Israel muss sich auf uns Deutsche stets verlassen können.

– Die Fortentwicklung guter Beziehungen zu Polen

– Das Festhalten an den Lehren des 20. Jahrhunderts – Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte – und die Bereitschaft zu einem fairen Ausgleich.

– Solidarität der Starken mit den Schwachen in unserer Gesellschaft

– Zutrauen und Vertrauen leben.

Johannes Rau stand sein Leben lang für Anstand, Zuneigung zu den Menschen und kluges, verantwortliches Handeln. Parteipolitik kannte er – aber sie war nicht Richtschnur seines Handelns.“

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