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Roland Koch

© dpa

Jubiläum in Hessen: Das RoKo-Jahrzehnt

Papa-Kind und Merkel-Schreck: Seit zehn Jahren regiert Roland Koch Hessen - und nebenher die Bundes-CDU. Nur sein größter Traum blieb bislang unerfüllt: das Kanzleramt.

Früher ist Roland Koch oft ausgelacht worden. Von Joschka Fischer zum Beispiel und seinen linken Freunden, die in Hessen jahrelang die Macht hatten. Fischer war der Star des Landtags, in den Koch 1987 einzog. Koch, Sohn des früheren Justizministers, strotzte damals vor Ehrgeiz. Er suchte die Konfrontation, attackierte Fischer, den ersten grünen Umweltminister der Republik, in dessen Fachgebiet. Fischer rächte sich, indem er den 29-Jährigen als "Oppositionsführerlein" verspottete.

Auch seine CDU-Feunde konnten sich ein ungläubiges Grinsen nicht verkneifen, als Koch Ende der 90er Jahre das Ziel ausgab, Hessen zum neuen CDU-Musterland zu machen. Fünf von fünfzig Jahren hatte seine Landespartei bis dahin regiert. Hessen galt - vor Koch - als rotes Stammland.

Am 7. April 1999 wurde Koch mit 41 Jahren zum jüngsten Ministerpräsidenten Deutschlands gewählt. Vorausgegangen war ein Wahlkampf, wie ihn die hessische CDU noch nicht erlebt hatte. Fünf Millionen Unterschriften hatte Koch gegen die geplante Staatsbürgerschaftsreform der frisch vereidigten rot-grünen Bundesregierung eingesammelt. In den Umfragen hatte seine Partei 14 Prozentpunkte Rückstand binnen dreier Wochen aufgeholt.

Koch als Vorbild

Viele nahmen ihm übel, mit der Unterschriftenaktion ausländerfeindliche Ressentiments geschürt zu haben, doch das juckte Koch wenig. Er habe bewiesen, dass die Union "kampagnenfähig" sei, sagte er damals häufig. Man dürfe den rot-grünen Heroen, den Fischers und Schröders, nicht die Hegemonie über die Stammtische überlassen.

Tatsächlich diente Kochs unverhoffter Erfolg der neuen Generation an CDU-Landeschefs als Vorbild. Bald startete Jürgen Rüttgers seinen "Kinder statt Inder"-Wahlkampf. Bald wollte Friedrich Merz die Steuer auf einen Bierdeckel schreiben. Die Union, die in den Kohl-Jahren zunehmend verschnarcht und lethargisch gewirkt hatte, bekam in der Opposition gegen Rot-Grün ein krawalliges, reformfreudiges, ja ein radikales Antlitz. Koch war stilbildend für diesen Prozess.

2003 lachte kaum einer mehr über ihn. Er hatte in Hessen die absolute Mehrheit gewonnen. Allerdings räumte er, Realist und Stratege genug, schon damals ein, von der großpolitischen Wetterlage profitiert zu haben. Die Jahre 2003 bis 2005 waren die erfolgreichsten in der Geschichte der CDU. Arbeiter und Arbeitslose wählten erstmals im großen Stil Schwarz, um der Schröder-Regierung einen Denkzettel zu verpassen – und um die neue Protest-Partei CDU zu stärken.

2008 verlor Koch 13 Prozentpunkte

Mit dem flächendeckenden Erfolg der Union wuchsen innerparteiliche Rivalen heran. Plötzlich wurden auch die Wulffs und Rüttgers als Kanzlerkandidaten gehandelt. Und so mutierte Koch zum loyalen Unterstützer Angela Merkels, der Frau, der er eigentlich die Fähigkeit absprach, Partei und Land zu führen. Nach der Bundestagswahl 2005 legte er seine ganze Autorität in die Waagschale, um die alte Rivalin im Koalitionspoker zu unterstützen, und um seiner Partei einen Machtkampf zu ersparen. Fortan war die Rolle als heimlicher Oppositionsführer nicht mehr möglich.

Doch es war seine Bilanz in Hessen, die Kochs Karriere 2008 fast beendet hätte: Eltern, Migranten, Flughafennachbarn, Angestellte im öffentlichen Dienst – sie und viele mehr hatte Koch in seinen ersten neun Regierungsjahren durch rigide Reformen oder anstößige Äußerungen gegen sich aufgebracht. Im Wahlkampf versuchter er das, was er am besten kann: Verbalkrawall. Einen brutalen Überfall zweier ausländischer Jugendlicher im fernen München nutzte er, um lautstark die Verschärfung des Jugendstrafrechts und der Integrationspolitik zu fordern. Doch diesmal ging die Rechnung nicht auf: 2008 verlor Koch 13 Prozentpunkte. Andere wären noch am Wahlabend zurückgetreten.

Nicht aber Koch, der in seiner Karriere schon einiges überstanden hat. (Man denke nur an seine Ankündigung, "brutalstmöglich" die Spendenaffäre aufzuklären, und wenig später einzuräumen, doch ein wenig Bescheid gewusst zu haben). Obwohl Koch von Anbeginn etliche Gegner, eine scharfe Presse, miese Popularitätswerte und auch kein gewinnbringendes Äußeres hatte, ist er mittlerweile der Ministerpräsident, der in Deutschland nach Kurt Beck am längsten amtiert.

Koch versteht es, sich abzusichern

Warum? Weil Koch es wie kein zweiter Politiker seiner Generation versteht, sich abzusichern. Darin seinem Vorbild Helmut Kohl ähnlich, hat Koch sich seit Teenagertagen ein komplexes Geflecht aus Netzwerken und persönlichen Loyalitäten aufgebaut. Bei ihm, der mit 14 Jahren der Jungen Union beitrat, gehen politische und persönliche Freundschaften ineinander über. Selbst mit dem FDP-Chef Hahn war er schon Skifahren.

Auch manche Politiker der Konkurrenz schätzen Koch, wenn sie ehrlich sind. Peer Steinbrück etwa, der sagt, Koch sei der verlässlichste CDUler. Er allein habe das Standing, heikle Entschlüsse innerparteilich durchzuboxen. Seine Freunde beschreiben ihn als Strategen und Kaltblüter. Einer, der ihn gut kennt, sagt, Koch habe lange Zeit nur eins gefehlt: Demut. Er, der alle Posten als jüngster erreicht hatte, dachte, er sei unbesiegbar. Insofern sei die Niederlage 2008 für ihn eine wichtige Lektion gewesen.

Deshalb kann man sich nicht sicher sein, ob Koch nicht doch noch eines Tages Kanzler wird. Zu früh sollte man ihn jedenfalls nicht abschreiben, wie das die anderen hessischen Parteien gerade mit hämischen Repliken zum Jubiläum tun. Spott macht Koch nur stärker. Das hat auch Joschka Fischer irgendwann festgestellt. (ZEIT ONLINE)

Michael Schlieben

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