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Der Spitzenkandidat der EVP, Jean-Claude Juncker (Mitte), und sein Wahlkampfmanager Martin Selmayr (links).

© rtr

Stühlerücken in Brüssel: Junckers Wahlkampfmanager geht zur Osteuropabank

Junckers Wahlkampfmanager wird Direktor bei der Londoner Osteuropabank. Dennoch könnte der Deutsche Martin Selmayr den Luxemburger Juncker zu einem späteren Zeitpunkt in Brüssel als Kabinettschef unterstützen - falls sich die EU-weite Hängepartie zu dessen Gunsten entscheidet.

Es ist ein Wechsel, der aufhorchen lässt - zumindest im politischen Betrieb in Brüssel. Wie die EU-Kommission am Mittwoch mitteilte, wird der Wahlkampfmanager von Jean-Claude Juncker, Martin Selmayr, im Juli als Direktor zur Londoner Osteuropabank (EBRD - European Bank for Reconstruction and Development) wechseln. Der ehemalige luxemburgische Regierungschef Juncker hat derzeit mit dem heftigen Widerstand des britischen Ministerpräsidenten David Cameron bei einer möglichen Nominierung zum EU-Kommissionschef zu kämpfen. Vor der Europawahl war spekuliert worden, der Deutsche Selmayr könne im Fall eines Wahlerfolges von Juncker dessen Kabinettschef in Brüssel werden. Verlässt nun der 43-Jährige das sinkende Juncker-Boot? In Brüssel wird abgewiegelt: Dass Selmayr nun zur Osteuropabank wechselt, hat offenbar weniger mit den unsicheren Aussichten Junckers zu tun als mit der eigenen Job-Perspektive - spätere Rückkehr ins Juncker-Lager nicht ausgeschlossen.

Selmayr leitet derzeit den Mitarbeiterstab der luxemburgischen EU-Justizkommissarin Viviane Reding in Brüssel, nachdem er sich für den Wahlkampf an der Seite von Juncker zwischenzeitlich hatte beurlauben lassen. Allerdings ist Selmayrs Weiterbeschäftigung in der EU-Kommission unsicher. Die Luxemburgerin Reding gibt im Juli ihr Amt als Justizkommissarin auf, nachdem sie bei der Europawahl ein Mandat errungen hatte. Während zudem der Streit um Juncker zunehmend zur Hängepartie wird, kommt für Redings Noch-Kabinettschef die Anschlussbeschäftigung wie gerufen. Seit dem Frühjahr hatte Selmayr das notwendige Auswahlverfahren bei der EBRD durchlaufen. Allerdings muss der Wechsel zur Osteuropabank nicht heißen, dass Selmayr später dann nicht mehr für Juncker tätig werden kann. So wird in Brüssel daran erinnert, dass Horst Köhler kurzzeitig die EBRD leitete, bevor er 2000 das wichtigere Amt des Geschäftsführenden Direktors des Internationalen Währungsfonds (IWF) übernahm.

Der Christsoziale Juncker hatte sich bei der Europawahl Ende Mai als stärkster Spitzenkandidat der politischen Parteien durchgesetzt und beansprucht nun das Amt des EU-Kommissionschefs. Nach Ansicht einer Mehrheit der Bundesbürger sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch gegen den Widerstand Camerons den konservativen Spitzenkandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten unterstützen. In einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage für das Hamburger Magazin "Stern" forderten 60 Prozent, die Bundeskanzlerin müsse weiter zu Juncker stehen. Nur 19 Prozent sprachen sich dafür aus, dass Merkel zugunsten eines guten Verhältnisses zu Großbritannien von Juncker abrückt.

Mehrheit der Bundesbürger würde Austritt Großbritanniens aus EU bedauern

51 Prozent der Deutschen würden es der Umfrage zufolge bedauern, wenn sich Großbritannien zum Austritt aus der EU entschließen würde. 41 Prozent der Befragten hingegen könnten sich mit einem solchen Schritt durchaus abfinden. Für die Erhebung befragte Forsa am vergangenen Mittwoch und Donnerstag 1002 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger.
Um die Nominierung Junckers für das EU-Spitzenamt wird seit der Europawahl im Mai erbittert gerungen. Der künftige Kommissionschef muss von den Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Staaten mit qualifizierter Mehrheit vorgeschlagen und dann vom EU-Parlament bestätigt werden. Das EU-Parlament besteht darauf, dass Juncker als Wahlsieger Anspruch auf den Posten habe.
Auch Merkel hat sich hinter Juncker gestellt, Cameron hingegen soll Medienberichten zufolge für den Fall einer Ernennung Junckers mit einem EU-Austritt seines Landes gedroht haben. Der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt und der niederländische Ministerpräsidenten Mark Rutte sehen eine Berufung Junckers ebenfalls skeptisch. Ein Kompromiss ist derzeit nicht in Sicht. (mit dpa/AFP)

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