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Politik: Juristentag in Leipzig: Lust am Aufruhr - Justizreform: Die geplante Neufassung des Strafprozessrechts sorgt für Streit

Es kann laut werden in Leipzig. Dort beginnt an diesem Dienstag der 63.

Es kann laut werden in Leipzig. Dort beginnt an diesem Dienstag der 63. Deutsche Juristentag. Dieser ehrwürdige, 140 Jahre alte Kongress steht sonst nicht für schrille Töne. Diesmal ist es anders. Seit Herta Däubler-Gmelin (SPD) im Justizministerium das Ruder führt und Reform nach Reform vom Stapel lässt, zeigen deutsche Richter und Rechtsanwälte eine nicht gekannte Lust am Aufruhr. Noch betrifft dies vor allem den Teil eins der so angekündigten "Großen Justizreform", den Umbau des Zivilprozesses, der in seiner aktuellen Form fast ebenso alt und ehrwürdig wie der Juristentag ist. Däubler-Gmelin nennt ihre Pläne daher "nötige Modernisierung" und fordert "mehr Effizienz", doch schreckt ihr Vorhaben viele juristische Berufsverbände. Sie kritisieren "Bürgerferne" und befürchten "mehr falsche Urteile".

Der Entwurf ist längst auf dem Weg zum Gesetz. Das war für die Veranstalter des vier Tage dauernden Kongresses jedoch kein Grund, vom Schwerpunkt Zivilprozess beim "aktuelle Forum Justizreform" abzurücken. Sie wollen eine Aussprache - und nicht zuletzt hoffen viele juristische Praktiker, Herta Däubler-Gmelin werde ihren Kurs doch noch korrigieren und die Reform zumindest in Teilen zurücknehmen.

Wahrscheinlicher ist das Gegenteil: Die Justizministerin, gewohnt offensiv, nutzt den Anlass und stellt Teil zwei ihrer "Großen Justizreform" vor, einen Katalog von Änderungen im Strafprozessrecht. Nach Auskunft des Ministeriums wird der Referentenentwurf dann "im Laufe der nächsten Wochen" folgen. In Interviews hat Herta Däubler-Gmelin bereits die Ziele markiert: Analog zur überarbeiteten Zivilprozessordnung soll sich das strafrechtliche Hauptverfahren mit seiner umfassenden Beweiserhebung künftig auf eine Instanz konzentrieren. In der Berufung werden nur noch einzelne, genau bestimmte Punkte herausgegriffen und einer erneuten Tatsachenkontrolle unterzogen. Den dadurch drohenden Rechtsverlust will die Justizministerin mit Hilfe der Strafverteidiger abfedern. Sie sollen sich früher und intensiver als bislang im Vorfeld einschalten dürfen, etwa bei der Vernehmung des Beschuldigten oder von Zeugen. Verstärkter Opferschutz und Regeln zum "Deal", der Absprache von Anklage und Verteidigung, sollen die Reform abrunden. Nicht nur die "verkürzte" Berufung birgt Konflikte. Im Zivilprozess geht es regelmäßig um Geld. Im Strafprozess hingegen steht oft genug die persönliche Freiheit auf dem Spiel. Volker Beck, Rechtsexperte der Grünen, hat deshalb schon seinen Widerstand angekündigt. Man darf auch gespannt sein, wie das Votum des Juristentages ausfallen wird. Das Gremium wendet sich seit jeher mit sehr konkreten Beschlüssen an den Gesetzgeber.

Im politischen Streit um die "Große Justizreform" werden andere Themen der Leipziger Tagung kaum zu vernehmen sein. Dabei sind sie nicht weniger bedeutend. Ein Beispiel: Die Selbstbestimmung am Ende des Lebens. Hier geht es einmal nicht um die strafrechtlichen Aspekte der Sterbehilfe, sondern um den Wunsch des Patienten nach Abbruch der Behandlung und die Pflichten des Arztes. Besonders heikel: Wenn der Erkrankte minderjährig, bewusstlos oder unter Vormundschaft gestellt ist.

Die Abteilung "Öffentliches Recht" erörtert die Zweckbindung von Steuern, wie sie beispielsweise bei der Ökosteuer praktiziert wird. Das ist populär, entspricht aber nach Meinung vieler Experten nur in Maßen den geltenden, auch verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Weitere Themen des Kongresses sind Einschränkungen der Klagemöglichkeiten von Aktionären gegen Beschlüsse der Hauptversammlung sowie arbeits- und sozialrechtliche Regelungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

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