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Pro-Russischer Aktivist vor einer Straßensperre bei Slawjansk.

© AFP

Update

Kämpfe in der Ostukraine: Verwirrung um OSZE-Beobachterteams

Separatisten berichten, sie hätten vier verschleppte OSZE-Beobachter wieder freigelassen. Die OSZE hat dies bisher nicht bestätigt. Stattdessen meldet die Organisation, sie habe den Kontakt zu einem weiteren Team verloren.

In den Wirren der Kämpfe in der Ostukraine hat die OSZE zuletzt gleich zwei Beobachterteams vermisst - obwohl eines angeblich von Separatisten auf freien Fuß gesetzt wurde. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa konnte bis zum Nachmittag keinen Kontakt zu dem angeblich in Lugansk freigelassenen Team herstellen. Kurz darauf teilte die OSZE mit, dass es schon am Vorabend den Kontakt zu einer zweiten Beobachter-Gruppe in Sewerodonezk, etwa 100 Kilometer von Lugansk entfernt, verloren habe.

„Da wir Berichte über die Freilassung der seit dem 26. Mai vermissten Beobachter bislang nicht verifizieren konnten, gehen wir weiterhin davon aus, dass sie noch festgehalten werden“, sagte ein OSZE-Sprecher in Wien. Sobald man eine Bestätigung für die Freilassung habe, werde man dies mitteilen. Zuvor hatte Separatistenführer Alexej Tschmilenko in Lugansk am Freitag der Agentur Interfax erklärt, die vier verschleppten OSZE-Beobachter seien freigelassen worden. Die Männer seien verwarnt und aufgefordert worden, sich künftig nicht mehr ohne Voranmeldung in dem Gebiet aufzuhalten. Am Dienstag war der Kontakt zu den vier Beobachtern aus Dänemark, Estland, der Türkei und der Schweiz abgebrochen. Bereits Ende April hatten prorussische Milizen in der Ostukraine sieben Militärbeobachter der OSZE gefangengenommen, darunter auch vier Deutsche. Nach mehr als einwöchiger Gefangenschaft in der Rebellenhochburg Slawjansk wurden die Geiseln wieder freigelassen.

Mehrfach durchbrachen bewaffnete Kämpfer die Grenze

Die prowestliche Führung in Kiew bekräftigte nach den schweren Kämpfen mit Dutzenden Toten ihr Ziel einer vollständige Befreiung der Ostukraine von den Aufständischen. Der „Anti-Terror-Einsatz“ gegen prorussische Separatisten werde erst nach einer vollständigen Stabilisierung der Lage beendet, sagte der kommissarische Verteidigungsminister Michail Kowal. „Wir werden weitermachen, solange die Region nicht normal lebt und arbeitet.“ In der Nacht hätten Bewaffnete beim Übergang nahe der Siedlung Staniza Luganskaja an der Grenze zu Russland ukrainische Grenzsoldaten mit automatischen Waffen sowie Granatwerfern angegriffen, teilte der Grenzschutz am Freitag mit. Bei dem mehr als zweistündigen Schusswechsel sei keiner der Grenzer verletzt worden.

In den vergangenen Tagen hatte der Grenzschutz mehrfach Durchbrüche gemeldet. Dabei soll es sich vor allem um Kämpfer aus der russischen Konfliktregion Tschetschenien handeln.

Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk forderte den Westen auf, sich dem russischen Vorgehen im der Ostukraine entschlossen entgegenzustellen. „Russland nicht abzuschrecken hätte desaströse Folgen“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Gleichzeitig warf er Moskau vor, für „Spannungen und Terroranschläge“ im Osten der Ukraine verantwortlich zu sein. Für direkte Gespräche zwischen Russland und der Ukraine gebe es momentan kein Vertrauen. „Moskau wird immer falsch spielen.“

US-Verteidigungsminister Chuck Hagel forderte einen vollständigen Abzug russischer Truppen von der ukrainischen Grenze. Trotz eines „vielversprechenden“ Beginns befänden sich noch Tausende Soldaten an der Grenze, sagte der Minister nach einem Bericht der „Washington Post“ auf dem Flug zu einer Sicherheitskonferenz in Singapur. „Sie sind nicht da, wo sie sein müssten.“ Ein mitreisender US-Militär sagte, dass etwa sieben russische Bataillone dort stationiert seien.

US-Außenminister John Kerry appellierte an Moskau, auf den neu gewählten ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zuzugehen. Russland müsse mit Poroschenko zusammenarbeiten, um den Konflikt in der Ukraine zu deeskalieren, sagte Kerry nach Angaben des Weißen Hauses in einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow. Er habe sich zugleich besorgt über Berichte geäußert, wonach ausländische Kämpfer, besonders aus Tschetschenien, über Russland in die Ukraine kommen. Moskau hatte schon Tage zuvor erklärt, die Wahl Poroschenkos zu akzeptieren.

Tschetschenische Kämpfer in Doneszk

Ähnlich wir Kerry äußerte sich aus Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Moskau müsse seinen Einfluss geltend machen, "um das weitere Einsickern von Kämpfern und Waffen über die russisch-ukrainische Grenze" zu unterbinden, sagte Steinmeier der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Freitag. Die ukrainischen Medien hatten diese Woche berichtet, dass sich tschetschenische Kämpfer in der Hochburg der Separatisten im Donezk aufhalten. Der Machthaber der russischen Kaukasusrepublik, Ramsan Kadyrow, dementierte zwar, Milizionäre zum Kämpfen in die Ostukraine gesandt zu haben. Er schloss aber nicht aus, dass sie auf eigene Faust dorthin gereist sein könnten.

Positiv äußerte sich Kerry zum Abzug der russischen Soldaten von der Grenze. "Die Truppen, die sich an der Grenze aufhielten, ziehen gen Moskau ab und nicht nach Kiew", sagte der US-Außenminister. Noch aber sei die Gefahr nicht gebannt. Kerry rief Moskau auf, die jüngste Präsidentschaftswahl in der Ukraine zum Anlass zu nehmen, um gemeinsam daran zu arbeiten, dass "die Ukraine zur Brücke zwischen West und Ost" werde.

Im Gasstreit mit der Ukraine signalisierte Moskau am Freitag erneut die Bereitschaft zu neuen Rabatten. „Wenn alle Vereinbarungen eingehalten werden, denke ich, dann kann der Preis sich dem europäischen annähern und bei etwa 380 Dollar (279 Euro für 1000 Kubikmeter) liegen“, sagte der Vorsitzende des Energieausschusses in der Staatsduma, Iwan Gratschjow, der Staatsagentur Itar-Tass. Allerdings verlangt Moskau als Bedingung für neue Rabatte, dass die Ukraine einen Großteil ihrer Milliardenschulden begleicht.

Das Angebot kam kurz vor der Fortsetzung der ukrainisch-russischen Gasgespräche unter Vermittlung von EU-Energiekommissar Günther Oettinger in Berlin. Russland beziffert die ukrainischen Gasschulden inzwischen auf 5,2 Milliarden US-Dollar (3,82 Mrd Euro). Ohne eine Einigung könnte Russland am Montag der Ukraine den Gashahn zudrehen. (AFP/dpa)

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