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Politik: Kaltgestellt

Japans Regierung erklärt das havarierte Atomkraftwerk Fukushima für sicher. Experten und Bevölkerung glauben das nicht.

Tokio - Neun Monate nach dem Gau von Fukushima hat die japanische Regierung die Ruine des Atomkraftwerks für sicher erklärt. Ministerpräsident Yoshihiko Noda sagte am Freitag, die durch Erdbeben und Tsunami schwer beschädigten Reaktoren in Fukushima Dai-ichi seien in einer Kaltabschaltung unter Kontrolle gebracht worden. Umweltschützer kritisieren das als Irreführung der Bevölkerung. In den vergangenen Wochen war es immer wieder zu Zwischenfällen bei den Reparaturen gekommen. So gelangte erst vor einigen Tagen erneut verseuchtes Wasser ins Meer. Noda jedoch sagte, ein „großer Angstfaktor“ sei beseitigt. Er entschuldigte sich dafür, seinem Volk und aller Welt Sorgen bereitet zu haben. Jetzt müssten die verstrahlten Gebiete dekontaminiert, die Gesundheit der Bürger überprüft und Entschädigungen gezahlt werden. Man werde sich darum bemühen, dass die Betroffenen so schnell wie möglich in ihre Heimat zurück könnten.

Die internationale Atomenergiebehörde IAEO hat die Anstrengungen Japans zur Stabilisierung des havarierten Atomkraftwerks gelobt. Die japanische Regierung und die Betreibergesellschaft Tepco hätten „bedeutsame Fortschritte“ erzielt, sagte IAEA-Chef Yukiya Amano am Freitag am Sitz der Behörde in Wien.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hingegen warf der japanischen Regierung vor, die Gefahren in Fukushima zu verharmlosen. Auch viele japanische Bürger haben Zweifel an den Aussagen der Regierung. Nach deren Definition und des Atombetreibers Tepco ist die Kaltabschaltung erreicht, weil die Temperatur am Boden der Druckbehälter unter 100 Grad gehalten wird. Experten werfen der Regierung jedoch einen falschen Gebrauch des technischen Begriffs vor, der gewöhnlich nur bei Abschaltung intakter Kraftwerke genutzt wird.

„Hier von Kaltabschaltung zu sprechen grenzt an eine bewusste Lüge“, erklärte Reinhard Uhrig, Atomexperte von Global 2000. Die geschmolzenen Brennelemente hätten sich durch den Boden der Druckbehälter gebrannt und lägen nun als Klumpen auf dem Boden der Umhüllung. Dort wiesen sie weiterhin Temperaturen von schätzungsweise 3000 Grad auf. Von einem sicheren Zustand seien die Reaktoren noch weit entfernt. In dem Akw war am 11. März durch ein Erdbeben der Stärke 9,0 und einen anschließenden Tsunami das Kühlsystem so schwer beschädigt worden, dass die Brennstäbe in den Reaktoren 1 bis 3 vollständig schmolzen. Es ist der schwerste Atomunfall seit der Katastrophe in Tschernobyl 1986.

Um die Reaktorkammern zu kühlen, besprühen die Reparaturtrupps sie weiter mit Wasser. Die Entsorgung des verseuchten Wassers stellt aber weiter eines der größten Probleme dar. Hinzu kommt, dass sich die geschmolzenen Brennstäbe noch immer in der Atomruine befinden. Japanische Medien wiesen darauf hin, dass derzeit niemand genau sagen könne, wie es im Inneren der Reaktoren aussehe. Die Aufräumarbeiten werden noch Jahrzehnte dauern. Zudem haben gewaltige Mengen radioaktiver Substanzen die Umwelt verseucht. Im Januar 2012 will die Regierung mit einer großangelegten Dekontaminierung beginnen. dpa

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