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Kambodscha: Ex-Staatschef der Roten Khmer verhaftet

Auch Khieu Samphan muss sich nun vor dem UN-Völkermordtribunal in Kambodscha verantworten.

Die Mitteilung des Sprechers des Völkermordtribunals in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh ist knapp: „Herr Khieu Samphan ist in Gewahrsam genommen worden. Er wird befragt, und man wird ihn über die Vorwürfe informieren.“ Samphan, ein 76-Jähriger mit weißem Haar und Halbglatze, war während der Herrschaft der Roten Khmer Kambodschas Präsident, offiziell „Vorsitzender des Staatspräsidiums“.

Von 1975 bis zum Fall der Roten Khmer knapp vier Jahre später starben bis zu zwei Millionen Menschen. Die ultramaoistische Führung wollte einen reinen Agrarstaat schaffen. Abweichler, auch angebliche Spione in den eigenen Reihen, wurden systematisch ermordet. „Es gab keine Politik, Menschen verhungern zu lassen. Es gab keine Politik des Massenmords. Das Regime hat immer an das Wohl des Volkes gedacht“, schreibt dagegen Samphan in einem Buch, das gerade erschien. Er ist am Montag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt worden. Der Ex-Staatschef, der in Frankreich studierte und in Kambodscha eine linke Zeitung herausbrachte, hatte seine Verhaftung erwartet. Vergangene Woche wurde Samphan angeblich wegen eines Schlaganfalls in ein Krankenhaus in Phnom Penh gebracht. Dort nahmen ihn am Montag 30 Sicherheitskräfte fest. Tests hatten offenbar ergeben, dass ihm nichts fehlt.

Samphan hatte bereits im Juli als Anwalt den Franzosen Jacques Vergès benannt. Die beiden lernten sich in den 50ern als Studenten in Paris kennen. „Er hilft mir ohne Bezahlung“, sagte Samphan. „Khieu Samphan spielte nie eine direkte Rolle bei diesen Verbrechen“, schrieb Vergès im Vorwort einer 2004 erschienenen Biografie des Ex-Staatschefs. Der Anwalt hat unter anderen den als „Schlächter von Lyon“ bekannten, inzwischen verstorbenen Nazikriegsverbrecher Klaus Barbie und den Terroristen Carlos verteidigt. Als weiteren Verteidiger verpflichtete Samphan Say Bory, einen der renommiertesten Juristen Kambodschas, der bereits das Königshaus beriet und im Verfassungsrat saß.

Khieu Samphan ist der höchste lebende Rote Khmer in Untersuchungshaft. Ihr Anführer Pol Pot starb 1998. Dessen Vize Nuon Chea, Außenminister Ieng Sary, Sozialministerin Ieng Thirith und Kang Kev Eav, Leiter einer Folterstätte, sind bereits verhaftet. Alle sind wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, Sary zusätzlich wegen Kriegsverbrechen. Das Tribunal hatte Anfang des Jahres ohne Nennung von Namen bekannt gegeben, dass gegen fünf Personen ermittelt werde. Da fünf Verdächtige in Haft sind, rechnen Beobachter nicht mit weiteren Festnahmen, schließen sie aber nicht aus.

„Falls wir neue Verdächtige identifizieren, können wir sie anklagen“, sagte Richter Marcel Lemonde, einer von zwölf ausländischen Juristen des Tribunals. Der von Phnom Penh und den UN geschaffene Gerichtshof, an dem kambodschanische und internationale Juristen arbeiten, hat das Mandat, „die obersten Führer und diejenigen, die hauptsächlich verantwortlich sind für schwere Verbrechen“, zur Rechenschaft zu ziehen. An diesem Dienstag wird der erste Angeklagte im Gerichtssaal erscheinen. Richter verhandeln eine Klage von Kang Kev Eav, genannt „Duch“, der die Rechtmäßigkeit seiner Untersuchungshaft anzweifelt. Die Hauptverfahren sollen 2008 beginnen.

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