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Kambodscha: Prozess gegen Rote Khmer beginnt

30 Jahre haben die Kambodschaner auf die Abrechnung mit den brutalen Völkermördern des Rote-Khmer-Regimes gewartet. In wenigen Tagen beginnt nun der Prozess gegen den obersten Folterknecht des Regimes - fast zu spät.

Am kommenden Dienstag ist es in Kambodscha so weit: vor dem Völkermordtribunal in der Nähe von Phnom Penh beginnt der Prozess gegen den obersten Folterknecht des Regimes, den Leiter des berüchtigten Toul-Sleng-Gefängnisses, Kaing Guek Eav alias Duch (66).

Während des Vietnamkrieges tobten auch in Laos und Kambodscha Bürgerkriege. In den drei Staaten, früher Kolonien Frankreichs, kämpften Kommunisten und Kapitalisten um die Macht. 1975 flüchteten die USA, die militärisch eingegriffen hatten, aus der Region. Sofort stürzten drei Regierungen, die Washington zuvor gestützt hatte.

In Kambodscha übernahmen die Roten Khmer, eine bewaffnete Bewegung, die aus einer linken Partei entstanden war. Ihr Anführer Pol Pot wollte einen reinen Agrarstaat. Er ließ Politiker, Intellektuelle, Lehrer sowie Ärzte hinrichten und rief das „Jahr null“ aus. Städte wurden evakuiert, alle Bürger sollten Bauern werden. Religion wurde verboten, Geld abgeschafft, westliche Lehren untersagt. Heilkräuter ersetzten Medikamente. „Die Roten Khmer bildeten ihre Partei nach Lenins Regeln. Sie planten ihre Revolution mit Maos Techniken. Sie herrschten mit der Repression Stalins. Und sie trieben alles viel weiter, als ihre marxistischen Vorgänger es sich vorgestellt hatten“, schreibt der Historiker Craig Etcheson. Die Menschen lebten in Lagern. Hunderttausende waren mangel- oder unterernährt, viele starben an Krankheiten wie Malaria. 1977 kamen nach schlechter Ernte besonders viele Menschen um.

Die Rote-Khmer-Führung glaubte, dass ausländische Geheimdienste Kambodschaner rekrutieren, um das Regime zu stürzen. Eine Jagd auf mutmaßliche Spione in den eigenen Reihen wurde zum Völkermord am eigenen Volk. Khmer töteten Khmer. Bei „Säuberungen“ verschwanden Hunderttausende. In 150 Gefängnissen folterten Wächter Häftlinge so lange, bis sie Spionage eingestanden. Es folgte die Hinrichtung auf einem der 300 „Killing Fields“, Orte, an denen später Massengräber gefunden wurden.

Derweil kämpften Rote-Khmer-Soldaten an der Grenze mit Vietnam, deren Verlauf umstritten war. Vietnam beendete die Scharmützel mit 150 000 Soldaten, die nach Kambodscha einmarschierten und in Phnom Penh am 5. Januar 1979 das Rote-Khmer-Regime stürzten. Historiker schätzen, dass unter Pol Pot eine Million Menschen an Schwäche und Krankheiten sowie Hunderttausende durch Massenmord starben, insgesamt ein Viertel der Bevölkerung.

Das Khmer Rouge Tribunal (KRT) entstand nach zehn Jahren Tauziehen. Kambodscha und die UN rangen um Einfluss und Standards. 2004 einigte man sich: Das KRT entstand als eine „Extrakammer“ innerhalb von Kambodschas Justiz, obwohl diese nicht den Ruf hat, unabhängig zu sein. Kambodschanische und UN-Staatsanwälte und Richter arbeiten zusammen. Einheimische Juristen sind in der Überzahl, können aber nicht alleine entscheiden. So wird auch über die Zahl der Verfahren entschieden werden. Die kambodschanische Seite will nur fünf Anklagen. Internationale Staatsanwälte wollen mindestens elf Personen belangen. Sie glauben, dass die Regierung, in der ehemalige Rote Khmer sitzen, Einfluss nahm und weitere Verfahren blockiert.

Das KRT, das mit der Anklage des Gefängnischefs Duch beginnt, kommt spät. Rote-Khmer-Anführer Pol Pot und Militärchef Ta Mok sind bereits tot. Der restlichen vier Mitglieder der Führungsriege, die in Untersuchungshaft sitzen, sind im Schnitt 79,5 Jahre alt. Ihre Prozesse sollen 2010 beginnen. Das Tribunal nahm 2006 die Arbeit auf, sollte 2009 abgeschlossen sein und 56 Millionen US-Dollar kosten. Mittlerweile wird von Prozessen bis 2011 und 170 Millionen Dollar ausgegangen. 21 Staaten und die EU gaben Geld.

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