zum Hauptinhalt
Nadim Houry, stellvertretender Direktor von Human Right´s Watch für den Nahen Osten und Nordafrika.

© HRW

Syrien: Kampf gegen die Zweifel

Human Right´s Watch legt rigorose Maßstäbe an Informationen aus Syrien an – und klagt das Regime an.

Informationen aus Syrien sind schwer zu verifizieren. Gleichzeitig beschuldigen sich Regime und Opposition gegenseitig schlimmer Gräueltaten und Verbrechen. Die Menschenrechtsorganisation Human Right´ s Watch (HRW) geht daher extrem sorgfältig mit den Informationen von Opfern, desertierten Soldaten und Aktivisten um, bevor sie ihre Berichte herausgibt. „Wir nehmen nur Vorfälle auf, die uns mehrere Personen unabhängig von einander ähnlich beschreiben“, erklärt Nadim Houry, stellvertretender Leiter für den Mittleren Osten und Nordafrika in einem Gespräch in seinem Büro im Stadtzentrum von Beirut.

Hier werden Informationen von Informanten in Syrien, Mitarbeitern, die als Touristen einreisen, und Flüchtlingen in den Nachbarländern gesammelt. Oft brächten Flüchtlinge selbst Filme vorbei und würden dann interviewt. „Ansonsten befragen wir Aktivisten aus dem Ort, ob die Ortsangaben stimmen. Doch der Rückschluss auf Täter anhand von Filmen ist schwer: „Filme von massakrierten Familien sind wertlos, um die Täter zu ermitteln“, räumt Houry ein. „Wir brauchen immer die Geschichte dazu.“ Informationen über Verbrechen, die von Sicherheitskräften begangen wurden, basieren auf den Aussagen von Überläufern aus Armee und Geheimdienst, die insbesondere in der Türkei interviewt wurden. Auf den Aussagen von über 60 Überläufern basiert die Aussage der Menschenrechtsorganisation, die syrisches Sicherheitskräfte hätten Schießbefehle erhalten gegen unbewaffnete Demonstranten, es gebe Folter, willkürliche Festnahmen und Hinrichtungen, die in die Kategorie Verbrechen gegen die Menschlichkeit fielen.

Die Organisation nennt die Namen von 74 Offizieren, die ihren Untergebenen Schießbefehle gegen unbewaffnete Demonstranten erteilt hätten. HRW dokumentiert aber auch Gewalt gegen Sicherheitskräfte, von denen in einigen Fällen Aktivisten und Deserteure offenherzig berichten. „Sie leugnen das gar nicht, sondern sind stolz darauf“, sagt Houry. „Insbesondere in Orten wie Homs, wo besonders brutal gegen die Opposition vorgegangen wird, werden am ehesten Waffen zur Hand genommen,“ sagt Houry. Es sei allerdings schwer, von der möglicherweise unter dieser Gegengewalt leidenden alewitischen Gemeinschaft Informationen zu bekommen, weil diese oft der Konspirationstheorie anhingen und nicht mit Personen außerhalb Syriens sprechen, räumt Houry ein.

Doch in einem Punkt ist Human Right`s Watch ohne Zweifel: Selbst Zwischenfälle mit Gegengewalt von Demonstranten oder Deserteuren rechtfertigen nicht den „unproportionalen und systematischen Einsatz von Schusswaffen gegen Demonstranten und die Bedrohung durch eine überwiegend unbewaffnete Menschenmenge.“ Auch die nachgewiesene Folter, willkürliche Verhaftung und Hinrichtung, darunter vieler Kinder, sei damit nicht zu rechtfertigen. Ein Problem der Organisation ist, dass sie vor allem in ländlichen Gegenden keine bekannten Gewährsleute hat, wie dies in Städten wie Homs der Fall ist.

„Viele Aktivisten sind außerdem mittlerweile festgenommen, im Untergrund oder im Exil.“ Damit wird es immer schwieriger, in dem Propagandakrieg, den das Regime mit gezielten Falschinformationen führt, und der Unübersichtlichkeit auf Seiten der Aufständischen, klar zu sehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false