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Politik: Kampfansage bei Brezel und Weißwurst

Die CSU erteilt Merkels Mut zur Machtprobe um die Gesundheitsreform eine kalte Abfuhr

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Die Ramsauer-Runde gehört zu den beliebten Ritualen in Berlin. Der CSU-Landesgruppenchef lädt eine beträchtliche Zahl von Journalisten zum Gespräch. Wenn keine Nachrichten dabei herauskommen, dann mindestens ein Peter-Ramsauer-Zitat mit verlässlichem Unterhaltungswert. Am Dienstag erzählt Ramsauer zunächst über eine Brüsselreise, wofür das Interesse geringer ist als für Brezel und Weißwurst. Derart gestimmt nähert man sich ernsterem Stoff. Nein, die Eckpunkte zur Gesundheitsreform seien kein Unglücksfall, antwortet Ramsauer auf eine entsprechende Frage. Aber die Koalition habe schon gelernt, „dass manche Dinge schwer überblickbar sind, wenn man sie morgens halb vier beschließt“.

Morgens um halb vier hat die große Koalition Anfang Juli ihre Gesundheitsreform beschlossen; bisher ergebnislos blieben die Versuche aus den damals vereinbarten Eckpunkten einen Gesetzentwurf zu machen. Das Aufschnüren, Infragestellen, Verschieben des Projekts hat die große Koalition um ihren guten Ruf beim großen Publikum gebracht. Vielstimmig tönt es vor allem aus der Union und den Ländern – weshalb Bundeskanzlerin Angela Merkel am Vortag im CDU-Präsidium nach Auswegen gesucht hat. Bei der Gesundheitsreform könne es zum Vermittlungsverfahren zwischen Bund und Ländern kommen, sagt Merkel in betont undramatischer Verpackung. Im Vermittlungsverfahren solle es nicht um Grundsätzliches gehen, sondern um unterschiedliche Bedenken der Länder.

Das ändert nichts am Kern: Merkel versucht eine Machtprobe mit den Unions-Ministerpräsidenten. Die hatten zum großen Verdruss der SPD die Bundeskanzlerin beim Gesundheitskompromiss in eine Richtung gedrängt, die zwischen den Koalitionsparteien anders verabredet war. Merkels neuer Verfahrensvorschlag hieße: erst der Bund, dann die Länder.

In der bayerischen Landesvertretung wird Merkels Mut zur Machtprobe umgehend mit einer Kampfansage der CSU beantwortet. Ramsauer stellt nicht nur den anvisierten Oktobertermin für einen Kabinettsbeschluss in Frage. Einen Kabinettsbeschluss, sagt er, werde es erst geben, wenn „alle Länder grünes Licht geben“. Damit widerspricht er Merkel frontal. Und in behaglicher Atmosphäre weist Ramsauer seine Bundeskanzlerin unverhüllt auf die Folterwerkzeuge der CSU-Landesgruppe hin: „Wenn von uns kein grünes Licht kommt, dann wird auch in der Fraktion nichts beschlossen.“

Das ist ein Hinweis auf den Fraktionsvertrag von CDU und CSU. Danach werden „grundsätzliche politische Fragen“ nur im Einvernehmen von CDU und CSU entschieden. Die CSU kann also nicht überstimmt werden. Wenn, mit anderen Worten, Edmund Stoiber nicht will, dann wird die Unionsfraktion keinem Gesetzentwurf aus Merkels Kabinett zustimmen können. Blockierende Macht haben Bayern und die CSU nicht nur über den Bundesrat. Sie ist strukturell eingebaut in die gemeinsame Fraktion im Bundestag.

Aber das ist öffentlich nicht sichtbar. Undurchschaubar bleibt auch, was aus der SPD immer lauter beklagt wird: Dass nämlich auch Unionspolitiker den Gesundheitskompromiss kritisieren, die ihn mitverhandelt haben, etwa die bayerische Gesundheitsministerin Christa Stewens. SPD-Chef, Vizekanzler und SPD-Fraktionschef haben mittlerweile ihr „Verständnis“ für Merkels Nöte mit den Ministerpräsidenten bekundet. Doch die Freundlichkeit von Kurt Beck, Franz Müntefering oder Peter Struck drückt die ungeduldige Erwartung der SPD aus, dass gegen den Druck der Ministerpräsidenten das Gewicht der Kanzlermacht entschlossener ausgereizt wird.

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