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Politik: Kampfhund-Debatte: Die Angst geht um

Am Tag danach. Deutschland versucht, das Entsetzen in Worte zu fassen.

Am Tag danach. Deutschland versucht, das Entsetzen in Worte zu fassen. Politiker sagen, jetzt endlich müsse gehandelt werden. Die Kampfhunde-Lobbyisten betonen unablässig, dass nie die Hunde schuld seien, sondern immer die Menschen, die sie abrichten. Auch die Pro-Hund-Initiative zeigt sich geschockt und fordert einen Führerschein für "problematische Rassen". Die Polizei fordert ein generelles Haltungsverbot von Kampfhunden. Der Kinderbund wirft dem Staat Versagen vor. Eltern schicken Faxe an die Zeitungsredaktionen. Ein Vater schreibt: "Als Vater eines zehnjährigen Buben werde ich mir eine geeignete Schusswaffe gegen Kampfhunde zulegen ..." Ein anderer erzählt, sein Sohn habe ihn gefragt, ob denn eigentlich das Tragen von Schusswaffen verboten sei, mit einer Waffe könne man sich doch gegen solche Hunde wehren. Der Vater ist irritiert, weil sein Sohn vorerst aus Angst nicht mehr auf die Straße will. Der Sohn hatte die Nachrichtensendung gesehen mit den Bildern jenes Hamburger Schulhofes, auf dem ein Kampfhund einen Sechsjährigen am Montag zu Tode biss.

Am Tag danach ist indes die Gesetzeslage noch die gleiche. Das Thema Kampfhund ist noch immer Ländersache. Und die Länder gehen unterschiedlich mit dem Thema um. Erst im Mai hatte die Innenministerkonferenz der Länder Empfehlungen für den Umgang mit Kampfhunden verabschiedet. Doch seitdem ist wenig passiert. Bis gestern. Am Dienstag reagierten die Länder. Sie wollen nun ein rasches Verbot von Züchtung und Haltung gefährlicher Rassen anordnen. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der nordrhein-westfälische Minister Fritz Behrens, sagte im NDR, nach dem Hamburger Fall würden die Länder nun sehr schnell die beschlossenen Maßnahmen umsetzen. "Wir in Nordrhein-Westfalen werden das jedenfalls tun." Er hoffe, dass auch der Bund das Tierschutzgesetz ändere, um zu einem Zuchtverbot zu kommen. Auch die Länder Berlin, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Sachsen und Saarland kündigten Gesetze oder Verordnungen an, mit denen Anschaffung und Haltung von gefährlichen Hunden erschwert werden.

Nach den Angaben der Landesregierungen werden Züchtung und Handel von Pitbulls, American Staffordshire-Terriern und Bullterriern künftig strikt verboten sein. Auch Kreuzungen dieser Rassen fallen unter das Verbot. In einigen Ländern wie Hessen wird daran gedacht, das Zuchtverbot auf bis zu 16 als gefährlich geltende Rassen auszudehnen. Zudem wollen die Länder für gefährliche Hunde eine Art Waffenschein einführen. Halter sollen überprüft werden, ob sie geeignet sind, einen Hund zu führen, ob sie bereits mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind, und ob sie einen gefährlichen Hund überhaupt brauchen, etwa zu Bewachungszwecken. Sollten diese Kriterien nicht erfüllt sein, muss der Hundehalter damit rechnen, dass das Tier ihm weggenommen wird. Alle diese Punkte hatte die Innenministerkonferenz bereits vorgeschlagen.

Baden-Württemberg und Hessen wollen zudem eine Haftpflichtversicherung für gefährliche Hunde einführen. "In der Vergangenheit sind die Opfer leer ausgegangen, weil die Besitzer von Kampfhunden sich meist als mittellos bezeichnen", erklärte der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU). Die Innenminister appellierten an die Bürgermeister, die Einhaltung der verschärften Gesetze und Verordnungen strikt zu überwachen. Auch im Interesse der friedlichen Hundebesitzer müsse der Kampfhundeplage ein Riegel vorgeschoben werden.

Bayern prüft eine Initiative für ein bundes- oder europaweites Import-, Handels- und Züchtungsverbot, wie Innenminister Günther Beckstein nach einer Kabinettssitzung sagte. Bayern hat bereits 1992 die Züchtung von Kampfhunden untersagt und die Haltung an den Nachweis eines "berechtigten Interesses" und die Zuverlässigkeit des Halters geknüpft. Verstöße können mit Geldbußen bis zu 100 000 Mark für Züchter und 20 000 Mark für Halter bestraft werden.

Unterdessen hat Justizministerin Däubler-Gmelin ein Bundesgesetz in Aussicht gestellt. Sie betonte, es wäre leichter, klare Ländergesetze zu erlassen. Wenn dies aber nicht gehe, müsse der Bund "ganz schnell" Gesetze machen. Kanzler Schröder stimmte ihr zu. Denn: "Die Kampfmaschinen müssen von der Straße."

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