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Euro-Krise: Kann die Europäische Zentralbank den Euro retten?

Weil die Märkte keine Ruhe geben, spielt die Europäische Zentralbank eine zunehmend größere Rolle bei der Euro-Rettung. Ist das sinnvoll?

Die Euro-Staaten bereiten sich auf eine groß angelegte Aktion zur Rettung Spaniens vor – diesen Eindruck kann man gewinnen, wenn man den jüngsten dramatischen Appell von Jean-Claude Juncker liest. Der Luxemburger Regierungschef, der die Euro-Gruppe der 17 Staaten mit der Gemeinschaftswährung leitet, hatte vor einem Zerfall der Euro-Zone gewarnt. Aufhorchen ließ insbesondere seine Bemerkung, die Staaten der Euro-Zone würden „in den nächsten Tagen“ entscheiden, wie die Gemeinschaftswährung stabilisiert werden kann. Nun richten sich alle Augen auf die Europäische Zentralbank (EZB) – sie hat es in der Hand, Spekulationen gegen die Gemeinschaftswährung zu beenden. Erwartet wird, dass die europäischen Währungshüter gewissermaßen auf leisen Sohlen bei der Brandbekämpfung im Euro-Raum helfen. Die EZB braucht nicht den Segen des Bundestages, bevor sie Hilfsmaßnahmen einleitet.

Worüber wird gestritten?

Die ganze Diskussion um einen Einsatz der EZB wäre nie entbrannt, wenn sich nicht die Zinsen für zehnjährige spanische Staatsanleihen seit geraumer Zeit um die kritische Marke von sieben Prozent bewegen würden. Wenn die Zinsen spanischer Anleihen dauerhaft auf diesem hohen Niveau blieben, droht die Madrider Regierung von Mariano Rajoy im Schuldensumpf zu versinken. Deshalb ist jetzt auch wieder davon die Rede, dass entweder die EZB oder der gegenwärtige Krisenfonds EFSF spanische Anleihen kauft. Durch ein solches Aufkauf-Programm würden die Zinsen spanischer Bonds wieder sinken – und damit auch der Druck auf Rajoys Regierung abnehmen. Neben dem Spanier gilt sein italienischer Amtskollege Mario Monti ebenfalls als Verfechter von Anleihekäufen durch die EZB. Auch die Italiener müssen für ihre Staatspapiere hohe Zinsen bieten; am Montag zahlten sie einen Zinssatz von knapp unter sechs Prozent für zehnjährige Bonds.

Wie genau der Plan zur Senkung spanischer und italienischer Zinsen aussieht, ist Gegenstand von Spekulationen. Ab September könnte der Euro-Rettungsschirm EFSF neu emittierte Anleihen von Euro-Krisenstaaten wie Spanien oder Italien auf dem so genannten Primärmarkt aufkaufen. Flankiert werden könnte ein solches Aufkauf-Programm durch die EZB – die Frankfurter Währungshüter könnten ihr umstrittenes Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt (Securities Markets Programme) wieder aufnehmen.

Vor allem eine mögliche Intervention der EZB ist es, die bei deutschen Politikern Stirnrunzeln auslöst. Hintergrund ist die Befürchtung, dass die Zentralbank einfach über die Notenpresse die Finanzierungsprobleme der Euro-Krisenstaaten löst. Die Kritik aus Deutschland gipfelte am Montag in der Forderung des hessischen Europaministers Jörg-Uwe Hahn (FDP), die Bundesregierung solle eine Klage gegen die EZB vor dem Europäischen Gerichtshof prüfen. Die EZB überschreite die Grenzen ihres Mandats, wenn sie Staatsanleihen von Krisenländern kaufe, argumentierte Hahn.

Worin besteht der Auftrag der EZB?

Welchen Unterschied macht es, ob die Anleihen vom Rettungsschirm EFSF oder von der Zentralbank gekauft werden?

In der Forderung des hessischen Europaministers schwingt die Sorge mit, dass die EZB gewissermaßen hinter dem Rücken der Volksvertreter gravierend in die Euro-Rettung eingreift. Die EZB ist unabhängig und müsste daher vor einem möglichen Anleihekauf auch nicht den Bundestag um Zustimmung bitten. So hatte die EZB ab dem Frühjahr 2010 die Anleihen von Krisenstaaten im Wert von über 210 Milliarden aufgekauft. Das inzwischen wieder eingestellte Programm war seinerzeit unter anderem beim damaligen Bundesbankpräsidenten Axel Weber auf heftige Kritik gestoßen.Auch sein Nachfolger Jens Weidmann hat sich mehrfach gegen Anleihekäufe ausgesprochen. Für einen Einsatz der EZB spricht, dass die Mittel der Europäischen Zentralbank anders als im Fall des Euro-Rettungsschirms EFSF theoretisch unbegrenzt sind. Der EFSF verfügt hingegen derzeit nur noch über Kreditmittel in Höhe von rund 248 Milliarden Euro. Von dieser Summe müssen allerdings noch die zugesagten Hilfen für die angeschlagenen spanischen Banken abgezogen werden – maximal 100 Milliarden Euro.

Anders als im Fall der EZB haben die Volksvertreter Kontrollrechte in der Hand, falls der Krisenfonds EFSF auf dem Anleihemarkt tätig werden sollte. Wenn der EFSF neu emittierte Staatspapiere aufkaufen sollte, müsste der betroffene Krisenstaat vorher einen Antrag stellen. In Deutschland müsste dann der Bundestag im Plenum über einen solchen Antrag entscheiden. Wenn der EFSF hingegen Anleihen auf dem Sekundärmarkt aufkaufen sollte, müsste nur das so genannte Neuner-Gremium des Bundestags zustimmen. Das Gremium, in dem Haushaltspolitiker aller Fraktionen vertreten sind, soll sicherstellen, dass Anleihekäufe durch den EFSF schnell und vertraulich abgewickelt werden können.

Worin besteht der Auftrag der EZB?

Die eigentliche Aufgabe der EZB ist die Sicherung der Preisstabilität in der Euro-Zone. Das heißt, die Inflationsrate sollte aufs Jahr gerechnet nicht mehr als zwei Prozent betragen. Springt das Zinsniveau in einzelnen, verschuldeten Ländern wie Spanien oder Italien aber auf ein extrem hohes Niveau, sieht die Notenbank die Funktionsweise des Geldmarktes und ihren geldpolitischen Einfluss gefährdet. Früheren Anleihekäufe hatte die EZB damit begründet, dass der so genannte monetäre Transmissionsmechanismus durch die Lage auf den Anleihemärkten gestört werde. Weil die Notenbank Staatstitel nicht direkt kaufen darf – das ist nach Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verboten – kann sie Staatsanleihen nur auf dem Sekundärmarkt kaufen, also durch Geschäfte mit Banken und Versicherungen. Diese Monetarisierung der Staatsverschuldung birgt nach Ansicht vieler Ökonomen ein Risiko: Inflation. Die Befürworter von Anleihekäufen argumentieren, dass wegen der Vertrauenskrise unter den Banken viele Finanzinstitute Geld bei der EZB parken, statt es anderen Banken zu leihen. Ein spürbarer Anstieg des Preisniveaus ist deshalb vorerst unwahrscheinlich.

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