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Politik: Kann man nich’ meckern

BERLIN SPART

Von Hermann Rudolph

Ein Erfolg ist ein Erfolg ist ein Erfolg und die Einigung im öffentlichen Dienst, die der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zusammen mit dem Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske erreicht hat, ist zumindest eins: ein großer Schritt in die richtige Richtung. Vor allem in seiner atmosphärischen Wirkung ist das gar nicht zu überschätzen. Denn mit der Bewältigung dieses Berliner Sonderwegs jenseits der bundesweiten Regelungen hat Wowereit ein Exempel für Durchsetzungsvermögen und Handlungsfähigkeit statuiert. Das ist eine Ermutigung für Berlin, das kurz vor der Sommerpause mit der Verabschiedung seines Haushalts und der sich zuspitzenden Opern-Debatte die Probe auf seinen Konsolidierungswillen geben muss.

Natürlich ist die Situation der Stadt ruinös. Die Sparziele, die der Senat verkündet hat, sind – da ist keine Täuschung möglich – nicht erreichbar. Um so beachtenswerter sind die Terraingewinne, die dem Senat gelungen sind, indem er Krisenzonen neutralisiert und eigene Positionen absichert. Die Tarifeinigung steht eben nicht allein. Berlin spart ja wirklich, fast ohne Quietschen. Im Streit um die Hochschulen präsentieren Rektoren und Regierender Bürgermeister überraschend eine neue Verhandlungsgrundlage. Und ein Unterfangen wie die Übernahme der Sammlung Flick, andernorts heftig umstritten, findet in Berlin ohne größeres Tamtam statt. Täuscht der Eindruck, dass die Stadt dabei ist, sich Schritt für Schritt aus den berlinüblichen Verrenkungen der letzten Jahre, aus Selbstmitleid und Fatalismus zu lösen?

Das ist auch – Ehre, wem Ehre gebührt – das Verdienst von Klaus Wowereit. Dieser Regiermeister regiert nicht bequem. Er ist kühl und ausdauernd. Ein Machtpolitiker und Pragmatiker. Baut Drohkulissen auf und wartet darauf, dass sich die Interessen formieren. Sitzt – ein Taktiker von Graden – locker auf dem Zaun, sieht scheinbar unbewegt den Dingen zu, um dann entschlossen zuzugreifen. Ist immer dabei, wo sich das öffentliche Leben kräuselt, wo Stimmungen gemacht werden und die neuen Trends entstehen. Kein Visionär, der mit seinen Gedanken und Zielen überzeugen will. Eher ein Sisyphos, der in dieser undankbaren Rolle noch eine ganz gute Figur macht.

Aber es ist auch dieser Stil, der dazu beigetragen hat, dass sich in Berlin ein Wandel des öffentlichen Klimas vollzogen hat, nicht zuletzt in den politischen Quartieren, aus denen Wowereit Vorbehalte und Ablehnung entgegenschlugen. Die Stadt ist wahrhaftig nicht von dem Mentalitätswandel erfasst worden, zu dem Wowereit in seinen Anfängen aufgefordert hat. Vielleicht ist es ja auch nur Gewöhnung, die um sich gegriffen hat – an diesen Regierenden Bürgermeister und seinen Senat wie an die Lage, in der Berlin sich befindet. Aber unbestreitbar ist, dass sich Wowereit – dank der Zähigkeit und Konzilianz, mit der er das Regieren betreibt, aber auch wegen der ostentativen Gutgelauntheit, mit der er sich präsentiert – als Politiker durchgesetzt hat. Und dass Berlin sich unter seiner Führung nüchterner und offener auf seine Lage einlässt als zuvor.

Kein Grund zur Erleichterung: Berlin befindet sich mitten in der Furt, und das rettende Ufer ist weit. Der mühsam zustande gebrachte Haushalt verrät es. Der Opern-Krimi mitsamt seinem erwartbaren tragischen Ausgang setzt der Lage die melodramatischen Lichter auf. Und von der Verständigung mit dem Bund, die allein die Situation der Stadt auf Dauer sichern könnte, ist noch nichts zu sehen. Vielleicht ging es der Stadt, objektiv gesehen, nie so schlecht wie heute. Aber die Stimmung ist gelassener geworden. Die Stadt fügt sich der Wahrheit ihrer Lage, so bitter sie ist.

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