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Politik: Kanzler als Verhandlungsmasse

SPD-Chef Franz Müntefering deutet Nachgeben an: Entscheidend sei die „Gesamtkonstellation“

Berlin - Der Koalitionspoker zwischen SPD und Union wird härter. Mutmaßungen der Union, Gerhard Schröder werde nach der Dresdner Nachwahl das Kanzleramt preisgeben, erwiesen sich am Montagabend als Spekulation. Zwar hatte der Kanzler vor Beginn einer SPD-Präsidiumssitzung einen Amtsverzicht nicht ausgeschlossen. Er wolle einer Fortführung seiner Reformpolitik in einer stabilen Koalition nicht im Wege stehen, erklärte er scheinbar selbstlos in einem RTL–Interview. Doch SPD-Chef Franz Müntefering machte nach dem Gremientreffen deutlich, worum es ihm und Schröder eigentlich geht: Die Union in die Verhandlungen zu locken, ohne dass die K-Frage vorab entschieden wird. „Wir erheben als Partei den Anspruch, sozialdemokratische Politik mit Gerhard Schröder an der Spitze zu machen. Das ist die Grundlage, auf der wir in die Verhandlungen gehen“, sagte der SPD-Chef im Anschluss an die Sitzung. Zuvor hatte Müntefering aber auch gesagt, in diesen Verhandlungen werde „über die Gesamtkonstellation zu sprechen sein“.

Vergeblich hatte die Union nach ihrem Dresdner Erfolg versucht, den Druck auf die SPD zu erhöhen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sprach von einem „Signal für Angela Merkel“. Nach den Worten ihres Generalsekretärs Volker Kauder setzt die CDU darauf, „dass die Vernünftigen in der SPD jetzt ihrer Verantwortung gerecht werden und bei einer zügigen Regierungsbildung unter Angela Merkel mitwirken“. FDP-Chef Guido Westerwelle wertete das Dresdner Ergebnis als Fingerzeig an Schröder, mit seinem Rückzug den Weg für eine große Koalition frei zu machen.

Dazu ist Schröder im Grundsatz bereit – aber nur dann, wenn Personalfragen im Laufe der Verhandlungen anstatt vor deren Beginn geklärt werden. Genau das verlangt wiederum die Union: Erst ein Bekenntnis zu Merkel, dann Verhandlungen über Inhalte. Dahinter steht die Befürchtung, die bisherige Geschlossenheit der eigenen Reihen nicht über Wochen hinweg aufrechterhalten zu können, wenn die Kanzlerfrage offen bleibt. In der Union gibt es unterschwellig erheblichen Unmut über die Wahlkampfführung der CDU-Chefin. Eine Demontage der Kanzlerkandidatin gilt vor diesem Hintergrund nicht als ausgeschlossen. In SPD-Kreisen wird überdies darauf gesetzt, dass man eine große Koalition in einer Weise auf sozialdemokratische Positionen festlegen kann, dass sich Merkels Führungsanspruch von selbst erledigt, da sie als eher wirtschaftsliberale Unionspolitikerin einen solchen Kurs nicht glaubwürdig vertreten könne.

Müntefering drängte die Union denn auch zu einer schnellen Entscheidung. Die SPD wolle, „dass die Verhandlungen in dieser oder der nächsten Woche beginnen“, sagte er. Die SPD-Führung stehe bereit, um nach einem erfolgreichen Sondierungsgespräch am Mittwoch über die Aufnahme von Verhandlungen zu entscheiden. Gegebenenfalls könne auch der für den 14. November geplante SPD-Parteitag vorgezogen werden, um über ein Ergebnis schwarz-roter Koalitionsverhandlungen zu entscheiden. Münteferings Mann fürs Grobe, der SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler, droht der Union derweil mit Neuwahlen: „Wir streben sie nicht an, wir scheuen sie aber auch nicht.“

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