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Der Pressesaal bekommt dieser Tage, da er nicht gebraucht wird, eine modernere Tonanlage.

© TSP/Christopher Ziedler

Kanzleramt ohne Kanzler: Wenn Olaf Scholz Urlaub macht

Auch Deutschlands Regierungschef braucht mal Pause, selbst wenn er nie ganz abschalten darf. Was aber passiert im Bundeskanzleramt, wenn Scholz im befreundeten EU-Ausland zum Wandern geht?

Der leere Stuhl ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Chef gerade nicht da ist. Zwischen der weitläufigen Treppe, die hinauf in den siebten Stock führt, und dem Kanzlerbüro bleibt das schwarze Ledermöbel in diesen Tagen unbesetzt. Dort nimmt immer nur dann jemand vom Personenschutz des Bundeskriminalamts Platz, wenn Olaf Scholz in seinem Arbeitszimmer weilt.

Nun sitzt da niemand – ohnehin trifft derjenige, der dieser Tage auf der Kanzleretage unterwegs ist, nur auf sehr wenige Menschen.

Wenn dann auch noch der Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen wie in der zurückliegenden Woche die Kabinettssitzung leitet, herrscht endgültig Klarheit: Der Kanzler macht Urlaub.

Offizieller wird es nicht. Ankündigungen dazu, wo und wann sich der Regierungschef erholt, gibt es keine. Wer sich dafür interessiert, muss ein wenig kombinieren: Den letzten öffentlichen Termin hatte Scholz am 18. Juli in Brüssel, vier nicht-öffentliche Termine folgten, irgendwann danach ging es in die Ferien.

Wohin, bleibt ebenfalls ein Rätsel, nachdem ihn die „Bild“ vergangenes Jahr beim Wandern im Allgäu abgepasst hatte. Nun hieß es von Regierungssprecher Steffen Hebestreit nur, Scholz befinde sich „ein paar Tage lang im befreundeten europäischen Ausland“.

Urlaub im Team

Was das genau heißt? Darauf darf sich jeder seinen eigenen Reim machen. Ob zum Beispiel Ungarn mit dem ungeliebten Staatschef Viktor Orban für Scholz in diese Kategorie gehört? Vermutlich eher nicht. Spekuliert wird im Regierungsviertel auch darüber, ob Italien noch dazu zählt, seit es von Georgia Meloni regiert wird.

Arbeiten ohne Chef: Autos bringen Gäste auch ins Kanzleramt, wenn Scholz nicht da ist.
Arbeiten ohne Chef: Autos bringen Gäste auch ins Kanzleramt, wenn Scholz nicht da ist.

© TSP/Christopher Ziedler

Allein mit seiner Frau Britta Ernst ist der Kanzler jedenfalls nicht unterwegs. Rund ein Dutzend Personenschützer, die Scholz teils schon seit seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister und Bundesfinanzminister kennt, sind mit von der Partie.

Die nötige Ausrüstung und Büropersonal für mobiles Arbeiten darf in den Ferien des Regierungschefs genauso wenig fehlen – da geht es aus Sicherheitsgründen um mehr als das Mitführen des Handys. Könnte ja, wie im vergangenen Jahr ein Gespräch, mit Emmanuel Macron geführt oder ein wichtiges Dokument unterzeichnet werden müssen.

Am Mittwoch zum Beispiel musste mit Mohamed Bazoum telefoniert werden, dem Staatschef des Niger, gegen den gerade geputscht worden ist. Bei den möglichen Konsequenzen für die Bundeswehr und Deutschland ist das nichts, was ein Bundeskanzler einfach ignorieren könnte – auch im Urlaub nicht.

Er ist präsent, obwohl er nicht da ist.

Ein Mitarbeiter des Kanzleramts über den urlaubenden Olaf Scholz

„Die Bundeskanzlerin ist immer im Dienst“ lautete schon die Standardantwort von Angela Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert. Und auch das Umfeld ihres Nachfolgers Olaf Scholz betont, dass er im Urlaub voll arbeitsfähig ist – und tatsächlich auch arbeitet. Er telefoniert und wird zu der ein oder anderen Runde zugeschaltet. Neue Arbeitsaufträge gibt es ebenfalls. „Er ist präsent, obwohl er nicht da ist“, sagt ein Kanzleramtsmitarbeiter.

Nie wie im Bienenstock

Sonst aber läuft es ohne ihn schon etwas gemächlicher als sonst in der deutschen Regierungszentrale. Zwar geht es in der weitläufigen Architektur des Kanzlersamts selbst an hektischen Tagen nicht zu wie in einem Bienenstock. Jetzt aber verliert sich die Urlaubsbesetzung noch mehr darin. Zu der gehört auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die zuletzt das Hissen der Regenbogenflagge repräsentativ begleitet hat.

Nur weil die siebte Etage so gut wie verwaist ist und dort lediglich ein paar Teammitglieder des ebenfalls im Urlaub weilenden Kanzleramtschefs Wolfgang Schmidt anzutreffen sind, fallen nicht alle Meetings aus. Im Gegenteil: Die, die noch da sind, klagen ein wenig darüber, was nun alles an ihnen hängen bleibt – wie in anderen „Unternehmen“ auch.

Keine Konferenz, keine Empfänge: Auch der Bankettsaal des Kanzleramts ist derzeit verwaist.
Keine Konferenz, keine Empfänge: Auch der Bankettsaal des Kanzleramts ist derzeit verwaist.

© TSP/Christopher Ziedler

In den Abteilungen und Referaten, die spiegelbildlich zu den Ministerien aufgebaut sind, soll bis Ende August ein ampelinterner Kompromiss zur Kindergrundsicherung erarbeitet werden. Das Lagezentrum, das nun den Kanzler zu den Entwicklungen im Niger informiert hat, ist ohnehin immer rund um die Uhr besetzt. Und an diesem Tag findet auch im abhörsicheren Raum auf der vierten Etage eine geheime Zusammenkunft statt – dass er gerade benutzt wird, ist an den zwei Wachhabenden auf den Stühlen davor abzulesen.

Am Vorplatz des Kanzleramts, wo sonst die militärischen Ehren stattfinden, sind Handwerker tätig.
Am Vorplatz des Kanzleramts, wo sonst die militärischen Ehren stattfinden, sind Handwerker tätig.

© TSP/Christopher Ziedler

Jetzt, da der Kanzler auf absehbare Zeit erst einmal niemanden offiziell empfangen wird, ist aber endlich Zeit für Dinge, die sonst liegenbleiben: Das Eingangshäuschen in der Auffahrt zum Kanzleramt, wo dieser Tage genauso viele Polizistinnen und Polizisten für Sicherheit sorgen wie sonst auch, wird gründlich geputzt.

Auf dem Vorplatz, wo sonst die militärischen Ehren zur Begrüßung ausländischer Staatsgäste stattfinden, macht sich ein Pumpentechniker an einer aufgeklappten Bodenluke zu schaffen. Und ein Technikteam verkabelt die in die Jahre gekommene Tonanlage für die Pressekonferenzen neu und schließt ein modernes Mischpult an.

Dem Zufall überlassen wird aber nichts im Kanzleramt. Sollte Olaf Scholz doch wegen dringender Angelegenheiten sofort nach Berlin zurückkommen und eine Ankündigung oder Reaktion auf ein dramatisches Ereignis in die Mikrofone sprechen müssen, wird während den Renovierungsarbeiten im Pressesaal eigens ein mobiles Rednerpult bereitgehalten. Noch aber sieht es danach aus, als könnte der Stuhl vor seinem Büro einige weitere Tage unbesetzt bleiben.

Aber auch wenn er wieder zurück ist – der erste öffentliche Termin soll nach jetzigem Stand am 10. August stattfinden –, wird Scholz seine Büroanwesenheit etwas flexibler gestalten als Vorgängerin Merkel. Wenn sie nicht auf Auslandsreise war, erschien sie jeden Morgen pünktlich um 7.50 Uhr am Haupteingang, wie man sich dort erinnert.

Olaf Scholz dagegen arbeitet schon mal ein bisschen im Potsdamer Homeoffice vor oder schiebt vor der Fahrt ins Büro noch eine Runde Joggen ein – auch das bringt ein wenig Abstand vom harten Politalltag.

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