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Politik: Kapitalismus – jetzt will die SPD handeln

Müntefering macht konkrete Vorschläge / Grüne für europaweite Regelungen / Wirtschaft wehrt sich

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Berlin/Köln - Die SPD sagt jetzt konkret, was sie gegen Auswüchse des Kapitalismus tun will – und hat prompt neuen Streit im eigenen Lager ausgelöst. SPD- Chef Franz Müntefering schlug in einem Maßnahmenkatalog unter anderem den Kampf gegen Lohndumping, die Veröffentlichung von Managergehältern, eine Angleichung der Steuersätze in Europa sowie zinsgünstige Kredite für kleine Unternehmen vor. Der Plan wurde am Mittwoch auf einer SPD-Fraktionsvorsitzendenkonferenz in Bremen präsentiert. Den Grünen gehen die zum Teil seit Wochen diskutierten Vorschläge aber teilweise nicht weit genug.

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer nannte die von Müntefering angestoßene Kapitalismusdiskussion zwar richtig. Im Vorschlag der SPD, mit einer Öffnung des Entsendegesetzes für alle Branchen Lohndumping zu stoppen, sieht er einen „ersten Schritt in Richtung auf branchenspezifische Mindestlohnsicherung“. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel warf Bütikofer den Sozialdemokraten aber vor, zu wenig auf die europäische Karte zu setzen: „Wer nicht will, dass einzelne Nationalökonomien hilflos torkeln unter den neuen Konkurrenzbedingungen der Globalisierung, der muss eine europäische Rahmensetzung verfechten.“ Bütikofer meint, die SPD habe die Gefahr, dass eine neue Armut sich zu einer Unterschicht verfestigen könnte, zu wenig erkannt. Er betonte: „Wir müssen verhindern, dass man von anständiger Arbeit nicht mehr anständig leben kann.“

Insgesamt bemüht sich Rot-Grün jedoch, klare Unterschiede vor allem zur Opposition festzumachen. Müntefering wandte sich gegen den Vorwurf, Unternehmen pauschal angegriffen zu haben. Auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) rief zur Mäßigung auf. Indirekt kritisierte er aber Müntefering, der Finanzinvestoren mit Heuschrecken verglichen hatte. „Das Gefährliche an solch sprachmächtigen Bildern ist, dass sie sich verselbständigen“, sagte Thierse. Bütikofer warf Union und FDP vor, sich vom „Erfolgsmodell sozialer Marktwirtschaft“ zu verabschieden.

FDP-Chef Guido Westerwelle erneuerte auf dem Bundesparteitag in Köln seine Kritik an den Gewerkschaften. „Ich habe nichts gegen Gewerkschaften“, sagte er. „Wenn man aber Debatten anstoßen will, muss man pointiert sein.“ Westerwelle bekräftigte seine Kritik an der „Verbohrtheit“ der „Funktionärskaste“ und forderte die Abschaffung der paritätischen Mitbestimmung und des Flächentarifvertrages. „Die beste Tarifpolitik findet vor Ort in den Betrieben statt und nicht in den Zentralen von Gewerkschaften und Arbeitnehmern.“ Der FDP- Rechtspolitiker Burkhard Hirsch kritisierte Westerwelle. Er sagte, der Beitrag der Gewerkschaften am sozialen Frieden in Deutschland sei „unverzichtbar“. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sagte dem „Handelsblatt“: "Wir sollten die Gewerkschaften nicht in die Ecke treiben, sondern müssen um Verständnis für dringende Veränderungen werben.“

Handelskammerpräsident Ludwig Georg Braun drohte als Konsequenz aus der Kapitalismusdebatte mit einem Scheitern des Ausbildungspaktes. „Wer sich zu Unrecht auf die Anklagebank gesetzt fühlt, ist für eine Ausbildung über Bedarf nur schwer zu gewinnen“, sagte er der „Welt“.

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