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Karlsruhe: Bundesgerichtshof präzisiert Terrorbegriff

Voraussetzung für Terrorismus ist, dass ein erheblicher Schaden für den Staat damit verbunden sein muss. Die „Militante Gruppe“ kann lediglich als kriminell eingestuft werden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat die Einstufung einer politischen Gruppierung als terroristische Vereinigung deutlich eingeschränkt. Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung ist die Militante Gruppe keine terroristische Organisation, sondern vielmehr eine kriminelle Vereinigung. Außerdem wurden drei mutmaßliche Mitglieder der Militanten Gruppe gegen 30 000 Euro Kaution auf freien Fuß gesetzt.

Damit hatten die Haftbeschwerden von Florian L., Oliver R. und Axel H. Erfolg. Der Ermittlungsrichter des BGH hatte sie am 1. August 2007 wegen des dringenden Tatverdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung inhaftiert. Die drei waren auf frischer Tat gefasst worden, als sie am 31. Juli 2007 in Brandenburg/Havel Fahrzeuge der Bundeswehr in Brand setzen wollten. Der BGH bestätigte jetzt zwar, dass sie sowohl der Brandanschläge als auch der Mitgliedschaft in der Militanten Gruppe dringend verdächtig seien. Die Haftbefehle wurden aber auf Verdacht der Mitgliedschaft in einer „kriminellen Vereinigung“ abgeändert.

Die Folgen sind bedeutend. Denn auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung steht die Höchststrafe von zehn Jahren, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung kann dagegen nur mit maximal fünf Jahren belangt werden. Wegen der deutlich geringeren Strafandrohung wurde die Untersuchungshaft aufgehoben. Fluchtgefahr könne auch durch die Kaution und Auflagen begegnet werden, so der BGH.

Grund für die geänderte Beurteilung der terroristischen Vereinigung durch das Gericht ist die Änderung des Terrorismusparagrafen 129 a im Jahr 2002. Danach genügt es nicht mehr, dass sich Personen zusammenschließen, um Brand- und Sprengstoffanschläge zu begehen. Vielmehr muss das Ziel darin bestehen, die Bevölkerung „erheblich einzuschüchtern“ oder die „politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen“ des Staates „zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen“. Außerdem verlangt das neue Gesetz, dass die Art der Tatbegehung den Staat „erheblich schädigen kann“. Damit habe, so der BGH, der Gesetzgeber die Strafbarkeit nach 129 a „bewusst deutlich eingeschränkt“.

Die Militante Gruppe hat sich seit 2001 zwar zu rund 25 Brandanschlägen auf Polizei- und Militäreinrichtungen bekannt. Aber diese Taten seien nach Art ihrer Begehung „nicht geeignet, die Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Gesetzes erheblich zu schädigen“, so der BGH. Obwohl die Betätigung der Militanten Gruppe darauf ausgerichtet sei, Brandanschläge gegen Gebäude und Fahrzeuge staatlicher Organisationen sowie privatwirtschaftlicher Unternehmen und sonstiger Einrichtungen zu begehen, „kann die Gruppierung nicht als terroristische Vereinigung eingestuft werden“.

Die Bundesanwaltschaft erklärte, dass sie weiterhin die Ermittlungen gegen die drei mutmaßlichen Mitglieder der Militanten Gruppe führe. Die Einstufung als kriminelle Vereinigung ändere nichts an der Zuständigkeit von Generalbundesanwältin Monika Harms. Der BGH habe bestätigt, dass es sich bei den Brandanschlägen um „Staatsschutzdelikte von besonderem Gewicht“ handele.

Der BGH hatte bereits am 24. Oktober den Haftbefehl gegen den Berliner Soziologen Andrej H. aufgehoben. Dem an der Humboldt-Universität beschäftigten Wissenschaftler war ebenfalls vorgeworfen worden, sich an der Militanten Gruppe beteiligt zu haben. Der BGH hielt es aber schon damals für nicht sehr wahrscheinlich, dass Andrej H. Mitglied einer „terroristischen Vereinigung“ ist. (mit ddp)

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