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Politik: Kassen wollen doch Beiträge senken

Ab 2004 könnten 14 Millionen Versicherte entlastet werden / Die meisten Deutschen sind für die Bürgerversicherung

Berlin. Nach massivem politischen Druck haben die ersten Krankenkassen Beitragssenkungen im kommenden Jahr in Aussicht gestellt. BEK und Kaufmännische Krankenkasse kündigten Beiträge „in Richtung 14 Prozent“ an, die DAK ließ die Höhe der Entlastung noch offen. Die Deutsche BKK als größte Betriebskrankenkasse sieht Spielraum für eine Senkung auf 13,5 Prozent. Der Vorstoß könnte eine spürbare Entlastung für 14 Millionen Versicherte bedeuten. Das Gesundheitsministerium lud die Spitzenverbände der Krankenkassen für nächsten Mittwoch „dringlich“ zu einem Gespräch über Beitragssenkungen ein.

Von C. Brönstrup, M. Peters

und R. Woratschka

AOK und Innungskrankenkassen argumentierten, man müsse zunächst die Schulden abbauen. Die Techniker Krankenkasse will sich um eine Beitragssenkung bemühen. „Wenn sich die finanzielle Möglichkeit bietet, werden wir sie auf jeden Fall nutzen“, sagte Kassenchef Norbert Klusen dem Tagesspiegel. Der CDU-Gesundheitsexperte Andreas Storm sagte, er halte es für „zwingend erforderlich, dass die Einsparungen des Reformpaketes den Versicherten 2004 in Form sinkender Beiträge zugute kommen“. Allerdings müssten die Kassen auch die Chance haben, ihre Schulden abzubauen. Bis Jahresende sei mit einer Unterfinanzierung von sieben Milliarden Euro zu rechnen, die in den nächsten drei bis vier Jahren abgebaut werden müsse. Verbraucherschützer halten Beitragssenkungen dagegen für nicht vorrangig. „Die Kassen müssen ihre Schulden schleunigst tilgen, denn für die Zinsen kommen ja auch die Versicherten auf“, sagte Stefan Etgeton vom Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin. „Gleichzeitig hat die Reform ihr Ziel verfehlt, wenn es für die Versicherten keine spürbare Beitragsentlastung gibt."

AOK-Kreise kritisierten, dass sich im Finanztableau noch „viele Unsicherheiten“ befänden. So würden Reformmaßnahmen, die zu zusätzlichen Ausgaben führten – Zuschüsse für Klinikpersonal, Gehaltserhöhungen für Ärzte im Osten oder der Bürokratieaufwand für neue Zuzahlungen – nicht berücksichtigt. Zum Umbau des Sozialsystems sagte der SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler, die Mehrheit seiner Fraktion sei für eine Bürgerversicherung. Auf Dauer werde man Selbstständige und Beamte einbeziehen müssen. CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach entgegnete, die Einbeziehung der Beamten würde „kein einziges Problem lösen“. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, die Bürgerversicherung sei nichts anderes „als Planwirtschaft und Sozialismus“. Dies habe schon in der DDR nicht funktioniert.

Nach einer Emnid-Umfrage für den Sender n-tv befürworten 78 Prozent der Deutschen eine Bürgerversicherung. Gleichzeitig befürchten 63 Prozent, die jetzige Qualität medizinischer Versorgung als Folge der Gesundheitsreform nicht mehr bezahlen zu können.

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