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Keine Schlichtung in Sicht: Mit seinem Kompromissvorschlag zum Betreuungsgeld hat Volker Kauder erneut Kritik in der Koalition hervorgerufen.

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Debatte um Betreuungsgeld: Kauders Kompromissvorschlag entfacht neuen Streit

Es sollte ein Vorstoß zur Schlichtung des Betreuungsgeld-Dilemmas sein, doch auch der Kompromissvorschlag von Volker Kauder kommt in der Koalition nicht gut an. Die CSU ist aufgeschlossen, aber die FDP sagt Nein.

Die einen finden ihn zu teuer, die anderen selbstverständlich: Der Vorschlag von Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) zur Schlichtung des Betreuungsgeldstreits bringt keine Ruhe in die Koalition. Die FDP fand die Idee zu kostspielig, bei der Einführung des Betreuungsgeldes auch die Rentenansprüche von Eltern zu erhöhen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Die CSU freute sich indessen, dass sie nicht nur die Forderung nach dem Betreuungsgeld erfüllt bekommen soll, sondern auch ihren Wunsch nach besserer Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei der Rente.

Das Betreuungsgeld soll laut Koalitionsbeschluss an Eltern gezahlt werden, die ihre kleinen Kinder zu Hause betreuen. Dagegen regt sich in CDU und FDP Widerstand. Die höhere Rentenanwartschaft käme auch denen zugute, die ihre Kinder in die Krippe bringen.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“: „Die Lösung kann sicher nicht sein, den Familienstreit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU jetzt mit zusätzlichen Belastungen für die Rentenkassen zu erkaufen.“ Wenn ein Kompromiss beim Betreuungsgeld nicht im Rahmen der Beschlüsse möglich sei, müsse die Union das Thema im Koalitionsausschuss neu auf die Tagesordnung setzen. FDP-Rentenexperte Heinrich Kolb forderte in der Zeitung: „Die Union muss intern klären, wo ihre Priorität liegt.“ Alle familien- und rentenpolitischen Vorhaben wie Mütter-Rente, Zuschussrente und Betreuungsgeld könnten nicht umgesetzt werden. „Auf keinen Fall darf es Leistungsverbesserungen geben, die zulasten der Beitragszahler gehen“, sagte er der „Welt“. Kritik übte auch die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU. „Hier wird zur Befriedung eines tagespolitischen Streits die künftige Generation zusätzlich zur Kasse gebeten“, sagte Bundes-Vize Jürgen Presser.

Die familienpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Miriam Gruß, sagte, der Haushalt dürfe nicht über Gebühr belastet werden. „Generationengerechte Familienpolitik bedeutet, unseren Kindern keine Schuldenberge zu hinterlassen“, sagte sie den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“. Schließlich wolle man bis 2014 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt befand: „Es ist absurd, die Zustimmung zu einer Sozialleistung mit der Erhöhung einer anderen Sozialleistung erreichen zu wollen.“ Die Union habe sich zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte verpflichtet. „Das kann aber nicht gelingen, wenn die Politik ständig neue Schecks auf die Zukunft ausstellt“, sagte er der „Frankfurter Rundschau“. SPD-Haushälter Carsten Schneider sagte der Zeitung: „Die Regierungskoalition hat die Konsolidierung des Bundeshaushaltes vollständig aufgegeben.“

Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) sagte dagegen der „Welt“: „Es wird wirklich Zeit, dass Familienarbeit die Erziehung von Kindern und Pflege von Angehörigen endlich der Erwerbstätigkeit gleichgestellt wird - und zwar unabhängig davon, wann die Kinder auf die Welt gekommen sind.“ Das Betreuungsgeld werde unabhängig davon kommen - und zwar als Barauszahlung.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte: „Die CSU hat immer schon eine Besserstellung der Erziehungszeiten in der Rente befürwortet.“ Dies stehe auch „nicht in Widerspruch zum Betreuungsgeld, sondern beides ist richtig und notwendig“. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, nannte eine Besserstellung von Eltern älterer Kinder im Deutschlandradio Kultur „äußerst wünschenswert“. Auch die Frauen-Union, die eine Verbesserung seit langem fordert, begrüßte den Vorstoß. „Wir wollen die Gerechtigkeitslücke für Mütter in der Rente weiter schließen“, sagte die Vorsitzende Maria Böhmer.

Die Bundesregierung reagierte dagegen zurückhaltend. „Da ist gar nichts entschieden, da ist gar nichts beschlossen. Darüber wird gesprochen“, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. Diese Diskussion und das Betreuungsgeld seien „zwei völlig eigenständige, unabhängige Dinge“. Familien- und Arbeitsministerium zeigten sich offen, betonten aber, die Finanzierung müsse gesichert sein.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte: „Das ist ja nicht vereinbart, on top (oben drauf)“. Im Koalitionsvertrag sei die stufenweise Einführung und Auszahlung des Betreuungsgelds vereinbart - aber „keine Eingriffe in die Rentenstruktur“, betonte Brüderle.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält trotz des Widerstands in den eigenen Reihen weiterhin an dem umstrittenen Betreuungsgeld fest. “Das Betreuungsgeld ist zusammen mit dem Ausbau von Betreuungsplätzen ein fester Bestandteil unserer Politik für die Wahlfreiheit von Eltern“, sagte Merkel dem “Westfalen-Blatt“. Ziel bleibe es, ausreichende Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren bis Sommer 2013 zu erreichen und zugleich das Betreuungsgeld für unter Dreijährige umzusetzen. “Das ist ein Gebot der Fairness.“

Unabhängige Fachleute hätten ermittelt, dass die Eltern von 60 Prozent aller Kinder unter drei Jahren keine staatlich geförderte Betreuung in Anspruch nehmen wollten. “Ihre Entscheidung verdient genauso unseren Respekt und unsere Unterstützung, und deswegen soll es für sie das Betreuungsgeld geben.“ Zugleich wies Merkel laut dem Bericht Kritik zurück, dass Eltern mit geringerem Einkommen ihre Kinder nur zu Hause lassen könnten, um das Betreuungsgeld zu kassieren. “Die allermeisten Menschen, unabhängig vom Einkommen, entscheiden verantwortungsbewusst, was für ihre Kinder richtig und wichtig ist“, sagte die Kanzlerin.

(dapd/dpa/Reuters)

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