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Politik: "Kein Angebot, aber plausibles Ausstiegszenario" - Grüne sehen positives Zeichen

Die Atomindustrie hat energisch einen Bericht über ein angebliches neues Angebot im Streit um den Atomausstieg dementiert. Die "Berliner Zeitung" hatte berichtet, die Konzerne wollten vier ältere Atomkraftwerke noch vor der Wahl 2002 abschalten, wenn die Regierung ihnen statt fester Restlaufzeiten eine garantierte Strommenge aus Atomreaktoren zusagt.

Von Robert Birnbaum

Die Atomindustrie hat energisch einen Bericht über ein angebliches neues Angebot im Streit um den Atomausstieg dementiert. Die "Berliner Zeitung" hatte berichtet, die Konzerne wollten vier ältere Atomkraftwerke noch vor der Wahl 2002 abschalten, wenn die Regierung ihnen statt fester Restlaufzeiten eine garantierte Strommenge aus Atomreaktoren zusagt. Sowohl die Essener RWE als auch Veba in Düsseldorf und Viag in München erklärten, der Bericht entbehre jeder Grundlage. "Wir wissen nicht, wer diesen Vorschlag gemacht hat. Wir kennen ihn nicht", erklärte ein Viag-Sprecher. Der Energiekonzern PreussenElektra in Hannover betonte darüber hinaus, er sei nicht bereit, das AKW Stade vor 2002 abzuschalten. Stade war ebenso wie die Meiler Obrigheim, Biblis A und Brunsbüttel als frühzeitiger Abschalt-Kandidat genannt worden. Alle vier Reaktoren zählen zu den ältesten in Deutschland.

Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller reagierte zurückhaltend, aber nicht ablehnend. Bislang liege kein offizielles Angebot der AKW-Betreiber vor. Sollte ein Angebot in dieser Richtung kommen, seien die Grünen zum Gespräch bereit. Auch ihre Partei strebe einen Konsens an. Wenn der Bericht zutreffen sollte, wäre dies ein Zeichen, dass die Industrie begriffen habe, dass es der rot-grünen Koalition mit dem Atomausstieg ernst sei. Zunächst werde nun aber innerhalb der Koalition das gemeinsame Ausstiegsgesetz fertiggestellt. In Industriekreisen wurde unterdessen darauf verwiesen, dass zwar von einem Angebot noch keine Rede sein könne, das in dem Bericht geschilderte Ausstiegsszenario aber gleichwohl durchaus plausibel wäre.

Der Vorschlag, sich nicht über Laufzeiten zu einigen, sondern über eine Rest-Stromerzeugungsmenge aus Atomkraftwerken, ist bereits mehrere Monate alt und stammt von Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos). Die Stromkonzerne sympathisierten von Anfang an mit dieser Idee, weil sie sich davon im Vergleich zu einer Laufzeiten-Vereinbarung eine größere ökonomische Sicherheit versprechen. Die Industrie argumentiert dabei, eine Strommengen-Garantie könne nicht durch politisch motivierte Schikanen der Atomaufsicht unterlaufen werden, die zu längeren Stillständen einzelner Reaktoren führen könnten. Bei einem fest vereinbarten Abschalt-Datum hingegen wäre nicht sichergestellt, dass die Meiler in der verbleibenden Zeit auch durchgängig Strom produzierten.

Im Bundesumweltministerium gilt Müllers Strommengen-Garantie allerdings als verfassungsrechtlich problematisch. Nach Überzeugung der Juristen von Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) könnte nur eine gesetzlich fixierte, zwischen Betreibern und Atomaufsicht vereinbarte Restlaufzeit einer absehbaren Klage vor dem Verfassungsgericht Stand halten. Den Konzernen stünde es nach dem "Flex-Modell" von Minister Trittin und Außenminister Joschka Fischer dabei frei, die Gesamtlaufzeit unterschiedlich auf ihre Meiler zu verteilen, so dass jüngere Reaktoren länger am Netz bleiben könnten als ältere mit geringeren Sicherheitsvorkehrungen.

Unklar ist nach wie vor, wann es zu dem noch für dieses Jahr angepeilten Gespräch zwischen Regierung und Stromversorgern kommt. Die Grünen streiten nach wie vor darüber, wie ein Ausstiegsgesetz für den Fall aussehen soll, dass kein Konsens zu Stande kommt. Nach Auffassung Fischers und Trittins wären rechtlich und politisch nur Laufzeiten von 30 Jahren bei einer Mindest-Übergangsfrist von drei Jahren für ältere Reaktoren durchsetzbar. Hingegen fordern andere Grüne eine Laufzeit von weniger als 30 Jahren. Auch Trittin hatte ursprünglich 25 Jahre als Obergrenze angepeilt.

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