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Politik: Kein Ende der Eiszeit

Polens Premier Kaczynski kündigt für Berlin-Visite klare Worte an – Merkel sucht Partnerschaft

Nach mehr als drei Monaten macht sich Polens Premier Jaroslaw Kaczynski an diesem Montag zu seiner ersten Amtsreise nach Berlin auf. Mit einem Ende der deutsch-polnischen Eiszeit ist aber nicht zu rechnen. In Polen ist Wahlkampf – und die nationalpopulistische Koalition setzt bewusst auf Abgrenzung zum Nachbarn.

Diplomatische Höflichkeitsfloskeln als Morgengabe für seine Gastgeber hat Polens Premier mithin nicht im Gepäck. Er werde „keinem schwierigen Thema“ ausweichen, kündigte Kaczynski vor seiner Abreise deutliche Worte an. Als „eher schwierig“ bezeichnet auch seine ihn begleitende Außenministerin Anna Fotyga den Dialog mit den Nachbarn. Mit dem deutsch-russischen Projekt einer Gaspipeline durch die Ostsee verstoße Berlin „gegen das Prinzip der europäischen Solidarität“: Die EU dürfe nicht nur Russland als Partner ihrer Ostpolitik sehen.

Gesprächsbedarf gibt es reichlich. Lang ist die Liste der Verstimmungen und Probleme, die seit Monaten die grenzüberschreitenden Beziehungen belasten. Ob bei den Debatten um das Gedenken an das Schicksal der deutschen Vertriebenen, die von Warschau heftig kritisierte Ostseepipeline, die Verärgerung über eine Schmähsatire, düstere Drohungen gegen die deutsche Minderheit, Proteste gegen angebliche Verletzungen der Seegrenze oder bizarre Auseinandersetzungen um ein Butterschiff: Auffällig ist vor allem der aggressive Ton, den Warschau seit der Machtübernahme von Kaczynskis nationalkonservativer PiS vor Jahresfrist bei fast jeder Frage gegenüber dem größten EU-Partner anschlägt.

Polens Regierung versuche zu provozieren „wo es nur geht, um von ihren schlechten Meinungsumfragen abzulenken“, erregte sich nach den Warnschüssen polnischer Grenzer auf ein deutsches Ausflugsboot vergangene Woche der Europa-Abgeordnete Elmar Brok. Die Beziehungen seien „verbesserungsbedürftig“, räumt in diplomatischeren Worten selbst Außenminister Frank-Walter Steinmeier ein. Kanzlerin Angelika Merkel verweist hingegen vor der Visite ihres Amtskollegen auf die unstrittigen Erfolge der Nachbarschaftsehe wie den Jugendaustausch oder die zahlreichen Städtepartnerschaften: Sie sei zu einem „freundschaftlichen und partnerschaftlichen Verhältnis“ zu Polen trotz „strittiger Themen“ entschlossen.

Von „Missverständnissen statt von Irritationen“ spricht Kaczynski, der eine Verschlechterung des Verhältnisses unter seiner Ägide nicht erkennen kann. Doch tatsächlich lässt seine Koalition schon seit Monaten kaum den Willen zu gut nachbarschaftlichen Beziehungen erkennen: Selbst der Jugendaustausch wird von Warschaus Erziehungsministerium unter fadenscheinigen Gründen torpediert. Aus ihrer tief verwurzelten Skepsis gegenüber den Nachbarn machen die Kaczynski-Zwillinge keinen Hehl. Die EU dürfe nicht „von einem Land dominiert“ werden, plädierte Präsident Lech Kaczynski kürzlich in einem Interview beim Umgang mit den Nachbarn wieder einmal für die „harte Verteidigung unserer eigenen Interessen“. Bei den Deutschen gelte leider das Prinzip „wer stärker ist, hat recht“, klagte der Staatschef: Bei seinen Gesprächen mit deutschen Politikern habe er „keinerlei Bereitschaft zum Nachgeben“ bemerkt.

Im Gegensatz zu ihrem Präsident halten 71 Prozent der Polen laut Umfragen die Deutschen indes für „gute Nachbarn“.

Thomas Roser[Warschau]

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