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Der chinesische Präsident Xi Jinping und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, 2.v.r.) gehen am Rande ihres Treffens zusammen ein paar Schritte.

© dpa/Ding Haitao

„Kein Land darf auf der Speisekarte stehen“: Xi Jinping spricht in Metaphern – welche Botschaft hat er an Scholz?

Der Kanzler hat bei seinem Besuch in Peking Chinas Staatsspitze getroffen. China lässt seine Teilnahme an einer möglichen Ukraine-Friedenskonferenz offen - und gibt teilweise Rätsel auf.

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Die Botschaften, die Olaf Scholz und Xi Jinping setzen, könnten unterschiedlicher kaum sein. Ein paar Worte sagen die beiden Staatsmänner zu Beginn des Empfangs durch Präsident Jinping im Staatsgästehaus Diaoyutai in Peking.

Xi erinnert an Scholz‘ letzten Besuch Ende 2022, „nach dem erfolgreichen Abschluss des 20. Parteitages“. Er beschwört „wichtige Konsense zu bilateralen Beziehungen und der Gewährleistung des Weltfriedens und der Stabilität“. Xi erwähnt das zehnjährige Jubiläum der strategischen Partnerschaft zwischen China und Deutschland.

Seither habe es „eine Reihe von großen Veränderungen in der Weltlage“ gegeben, während sich „das bilaterale Verhältnis immer stabil gehalten hat“. Er erwähnt den erheblichen wechselseitigen Handel und betont die „Prinzipien des gegenseitigen Respekts, die Suche nach Gemeinsamkeiten trotz Differenzen“.

Alle Länder müssen Platz am Tisch haben. Kein Land darf auf der Speisekarte stehen.

Chinas Staatspräsident Xi Jinping
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird von Xi Jinping, Staatspräsident von China, im Staatsgästehaus empfangen.

© dpa/Michael Kappeler

Während Xi die erheblichen Meinungsverschiedenheiten nur andeutet und im Allgemeinen bleibt, eröffnet Scholz sein Statement mit Klartext zum – von China unterstützten – Krieg Russlands gegen die Ukraine. Der Krieg habe „ganz erhebliche negative Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa“, sagt der Kanzler, er beeinträchtige „unsere Kerninteressen unmittelbar“ und beschädige zudem mittelbar die gesamte internationale Ordnung.

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Xi gibt keine gemeinsamen Pressekonferenzen

Scholz erinnert an die Erklärung nach dem Treffen mit Xi, in der dieser erklärt hatte, dass mit dem Einsatz von Nuklearwaffen nicht einmal gedroht werden dürfe. „Gern möchte ich mit Ihnen heute darüber diskutieren, wie wir mehr zu einem gerechten Frieden in der Ukraine beitragen können“, sagt Scholz. Außerdem spricht er den Kampf gegen den Klimawandel an, betont „das regelbasierte Handelssystem, wie es von der Welthandelsorganisation WTO verkörpert wird“, und die Wirtschaftsbeziehungen.

Die Begrüßungsworte sind, neben der später veröffentlichten Erklärung, wichtig, weil Scholz und Xi keine gemeinsame Pressekonferenz geben, ihnen gemeinsam keine Fragen gestellt werden können. So ist das üblich bei Xi. In der deutschen Regierungsdelegation aber herrschte nach den Unterredungen eine gewisse Genugtuung.

Insgesamt etwa drei Stunden und 20 Minuten hätten Scholz und Xi miteinander verbracht, hieß es danach in deutschen Regierungskreisen: Zunächst gab es ein einstündiges Delegationsgespräch, dann ein 45-minütiges Vier-Augen-Gespräch, ursprünglich auf zehn Minuten fixiert, verbunden mit einer Teezeremonie. Den größten Raum nahm am Ende ein Mittagessen ein. Auf der Speisekarte standen unter anderem Krebsfleisch mit Spargel und Dim Sum.

An wen richten sich die Worte des chinesischen Präsidenten?

Um die Speisekarte drehte sich am Dienstag in Peking allerhand, metaphorisch freilich, genauer gesagt, um ein Zitat Xis, das aus den Gesprächen anschließend kolportiert wurde. „Alle Länder müssen Platz am Tisch haben. Kein Land darf auf der Speisekarte stehen“, soll Xi gesagt haben. Doch was will Xi damit gemeint haben? Handelt es sich um einen sehr vorsichtigen Hinweis an Russland, die Ukraine nicht zu verschlingen? Oder appelliert Xi damit an den Westen, Russland bei möglichen Friedensgesprächen einzubeziehen?

Zum Abschluss seines Besuchs hat der Bundeskanzler Xi gebeten, bei Russlands Präsident Wladimir Putin auf ein Ende des Ukraine-Kriegs zu dringen. Er habe mit Xi zudem eine enge Abstimmung im Hinblick auf eine geplante Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz vereinbart, erklärte Scholz nach seinem Treffen mit Xi am Dienstag in Peking.

„Chinas Wort hat Gewicht in Russland“, erklärte Scholz im Onlinedienst X. Er habe Xi daher gebeten, „auf Russland einzuwirken, damit Putin seinen irrsinnigen Feldzug endlich abbricht, seine Truppen zurückzieht und diesen furchtbaren Krieg beendet“.

Xi sagte nach Angaben des Kanzlers zu, eine Ukraine-Friedenskonferenz zu unterstützen, die Mitte Juni in der Schweiz stattfinden soll. „China und Deutschland wollen sich über die Förderung der Ausrichtung einer hochrangigen Konferenz in der Schweiz und künftiger internationaler Friedenskonferenzen intensiv und positiv abstimmen“, erklärte Scholz.

Anliegen eines „fairen Welthandels“

Das Schicksal der Ukraine und der Vorwurf Deutschlands an China, kriegstaugliche Produkte an Russland zu liefern, zählten zu den Themen der Unterredung, außerdem die Themen Wirtschaft, Wettbewerb und Menschenrechte, hieß es aus deutschen Delegationskreisen. Angesprochen wurde ebenfalls die Lage im Nahen Osten.

Wir wollen den Wirtschaftsaustausch in allen Dimensionen weiterentwickeln.

Bundeskanzler Olaf Scholz

Mehrere Stunden nach der Begegnung mit Xi wurde der Kanzler am Dienstagnachmittag (Ortszeit) von Ministerpräsident Li Qiang auf dem östlichen Ehrenhof vor der Großen Halle des Volkes mit militärischem Zeremoniell empfangen: Dutzende rote Flaggen wehten, neben der deutschen Flagge, ordnungsgemäß im Wind. Die Militärkapelle spielte beide Nationalhymnen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (r., SPD), wird von Li Qiang, Ministerpräsident von China mit Militärischen Ehren vor der Großen Halle des Volkes empfangen. Der Besuch in Peking ist Abschluss der dreitägigen Reise von Scholz durch China.

© dpa/Michael Kappeler

Es folgte die Unterredung zwischen Scholz und Li mit ihren Delegationen. In einem fensterlosen Saal saßen sich beide Männer mit ihren Leuten gegenüber, Scholz zwischen Umweltministerin Steffi Lemke und Agrarminister Cem Özdemir (beide Grüne), daneben Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Gemeinsamen Fragen stellten sich hinterher auch Scholz und Li nicht. Beide gaben aber separat Statements ab.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt neben Steffi Lemke (Bündnis90/Die Grünen), Umweltministerin, am Gespräch in der Großen Halle des Volkes teil.

© dpa/Michael Kappeler

Scholz mahnte faire Wettbewerbsbedingungen an. Der Kanzler sagte, er habe mit Li Qiang ausführlich über gleichberechtigten Marktzugang, den Schutz geistigen Eigentums und die Notwendigkeit verlässlicher rechtlicher Rahmenbedingungen gesprochen.

China bleibe ein wichtiger Wirtschaftspartner Deutschlands und Europas, sagte Scholz. Einseitige Abhängigkeiten sollten aber vermieden werden. Lieferketten sollten diversifiziert und Risiken reduziert werden. Scholz sagte weiter, er habe gegenüber Li Sorgen deutlich gemacht, dass einseitige wirtschaftspolitische Entscheidungen Chinas die Unternehmen in Deutschland und in Europa vor große strukturelle Schwierigkeiten stellten. Konkret wurde Scholz nicht.

Unter anderem billige Solarmodule setzen Unternehmen in Deutschland unter Druck. Einer Umfrage der deutschen Auslandshandelskammer in China zufolge fühlen sich viele deutsche Firmen benachteiligt.

Die Außenpolitik erwähnte Scholz in seinem Statement nicht; dieses Thema liegt eher beim Dialog mit Xi.

Li hingegen verteidigte in seinem Statement die chinesischen Subventionen im Bereich grüne Energie gegen den Vorwurf des ungerechten Wettbewerbs. „Hinsichtlich der Leute, die sagen, die Dominanz von Chinas Industrie für erneuerbare Energie und so weiter ist durch Subventionen zustande gekommen, finde ich, dass diese Ansicht nicht der Wirklichkeit entspricht“, sagte Li. Industriesubventionen seien gängige Praxis auf der Welt, auch in Europa und den USA. Manche Länder subventionierten mehr Projekte und der Betrag sei größer, sagte Li.

Mit Blick auf Deutschland erklärte er, dass China und die Bundesrepublik den Handelsumfang weiter ausbauen und eine ausgeglichene Handelsbilanz besser vorantreiben sollten. China sei dafür bereit, mehr „Qualitätsprodukte“ aus Deutschland zu importieren. Außerdem seien Beschränkungen auf deutsches Rindfleisch und Äpfel aufgehoben worden.

Wie sehr die Handelspolitik die deutsch-chinesischen Beziehungen prägt, hatte sich bereits am Dienstagabend chinesischer Uhrzeit gezeigt, als Scholz und Li die Sitzung des Beratenden Ausschusses der Wirtschaft beider Länder eröffneten. Hier beschwor Li, gemünzt auf China und Deutschland, eine „Win-Win-Situation“.

Deutschland wolle „kein De-Coupling“, sagte Scholz. Die Begriffe De-Risking oder Diversifizierung erwähnte er in diesem öffentlichen Teil des Abends nicht. Den Wunsch nach einer Kursänderung ließ der Kanzler dort auch nicht erkennen. Er sagte: „Wir wollen den Wirtschaftsaustausch in allen Dimensionen weiterentwickeln.“ (mit dpa, AFP)

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