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Politik: Kein Land in Sicht

Von Lorenz Maroldt

Auf den ersten Blick hat es Befreiendes, wie kompromisslos sich Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck, sekundiert von seinem Vize Schönbohm, von der Fusion mit Berlin verabschiedet: Nicht so, schon gar nicht jetzt. Klarer geht’s nicht. Damit endet ein zehn Jahre langes Winden und Wortdrechseln, das – wenn überhaupt jemals – schon lange niemand mehr ernst nahm.

Die Fusionsbeschwörungsformeln waren nur ein lästiges Ritual, eine Zwangsverbeugung vor dem vermeintlich vernünftigen, politisch korrekten, aber auch unpopulären Ziel. Lächerlich der Versuch, dem Vorhaben mit dem Begriff „Länderehe“ zu mehr Gefühl zu verhelfen, hilflos abstrakt die Argumente.

Die Fusion initiieren, diskutieren und sabotieren, das war in der Politik oft eins. Erinnert sei, ein Beispiel, an die Warnung aus dem Südwesten Berlins vor der „Verostung“, vor „sozialistischen Wärmestuben“. Doch nicht die Berliner aus dem Westen ließen sich 1996 von solchen Tönen schrecken, sondern die Brandenburger, denen so drastisch bedeutet wurde, was man in der großen, armen Stadt von ihnen hielt. Danach wurde ein zweiter Anlauf beschworen und ein Termin genannt: Abstimmung 2006. Das hat sich nun erledigt, wenn nicht für immer, so doch auf sehr lange Zeit. Aber: Das ist doch immerhin ehrlich – oder?

Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass die Bigotterie nicht zu Ende ist, sie erreicht nur eine neue Ebene. Das mag auch erklären, warum der Regierende Bürgermeister Wowereit so ungelassen zürnt. Beide Argumente, die Platzeck und Schönbohm für ihren Rückzug nennen, schillern unangenehm falsch, wenn erstmal die Sonne drauf scheint.

Das erste Argument: Berlin tue nicht genug, um seinen Haushalt zu sanieren, eine Fusion komme erst in Frage, wenn hier die „Hausaufgaben“ gemacht seien. Unabhängig davon, dass Brandenburg in den vergangenen Jahren Milliarden verbrannt hat und in den kommenden Jahren die Folgen trägt, also der Haushalt alles andere als eine sichere Bank ist, und auch abgesehen von der durchaus bemühten Berliner Finanzpolitik: Für eine Fusion sprach immer, dass die finanziellen Probleme gemeinsam besser zu lösen sind. Es braucht diese Basis, diese Synergien für eine bessere Zukunft. Platzeck und Schönbohm drehen Ursache und Wirkung um.

Das zweite Argument: Die Menschen wollten eben keine Fusion, da könne man nichts machen. Wirklich? Überzeugen ist eine Aufgabe der Politik. Platzeck wurde eben noch gelobt dafür, dass er sich vom Antireformwind nicht hat umpusten lassen. Ist das plötzliche Feigheit, Fantasielosigkeit oder Bequemlichkeit? Als Argument trägt es jedenfalls nicht.

Und wie geht’s weiter? Eigentlich bleiben nur diese Möglichkeiten: Entweder die Zusammenarbeit auf allen Feldern vorantreiben, alle Möglichkeiten ausschöpfen, die verfassungsrechtlich gerade noch zulässig sind. Oder in einen harten Wettbewerb treten, um die besten Lebensumstände, die erfolgreichsten Universitäten, die attraktivsten Wirtschaftsbedingungen. Doch für das eine fehlte bisher die Überzeugung und auch die Grandezza, loszulassen, Verantwortung abzugeben. Für das andere fehlten Kraft und Mut. So beschreiten die Länder wohl einen Weg, der ein vernünftiger Kompromiss genannt werden wird, in Wahrheit aber den Fortschritt lähmt. Ein paar Absprachen hier, etwas Konkurrenz dort, das hebt sich in der Wirkung auf. Eins lässt hoffen: Sie streiten, endlich, über die Fusion. Emotionen, Reaktionen, Aktionen –vielleicht geht ja doch noch was.

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