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Politik: Kein Loch mehr in der Kasse

„Erstaunlich robuster“ Stellenmarkt könnte Milliardendefizit der Arbeitsagentur verhindern und Beitragssenkung ermöglichen

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Die Bundesagentur für Arbeit (BA) wird aller Voraussicht nach zum Jahresende ihren Haushalt ohne Defizit abschließen können. Statt der geplanten Verluste von 2,5 Milliarden Euro, sagte der Verwaltungsratschef der BA, Peter Clever, dem Tagesspiegel, sei dies wegen des „erstaunlich robusten Arbeitsmarktes“ möglich. Bereits aus heutiger Sicht betrage das Jahresdefizit „nur“ noch 700 Millionen Euro.

Clever sieht daher „keine Probleme“, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ab Januar 2009 von 3,3 Prozent auf 3 Prozent zu senken. Die Finanzreserven der Bundesagentur, die bis zum Jahresende auf rund 15 Milliarden Euro anwachsen würden, müssten für eine solche Beitragssenkung noch nicht einmal angegriffen werden. Die Sorge vor allem sozialdemokratischer Politiker, eine weitgehende Senkung des Versicherungsbeitrages könnte die Spielräume der BA bei der Weiterbildung und Vermittlung Arbeitsloser einschränken, wenn die Konjunktur nachlässt, teilt Clever nicht. „Auch für den Fall einer konjunkturellen Abkühlung sind wir gut gerüstet“, sagt er.

Für eine darüber hinausgehende Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung auf 2,5 Prozent sieht Clever, der für die Arbeitgeberverbände im Verwaltungsrat sitzt, allerdings nur Spielraum, wenn die Bundesagentur von der Pflicht befreit wird, jährlich rund 5 Milliarden Euro an den Bundeshaushalt abzuführen. Eine solche Entscheidung sei aus seiner Sicht auch „ökonomisch notwendig“, weil dadurch die Sozialbeitragsbelastung von Unternehmen und Arbeitnehmern sinke und ein Beitrag zur Stabilisierung der Konjunktur geleistet werden könne. Außerdem sieht Clever in einem solchen Schritt die Chance einer „gerechteren Verteilung von Lasten“. Durch die Abführung von jährlich 5 Milliarden Euro aus Nürnberg an den Bundeshaushalt – der sogenannte Eingliederungsbeitrag – würden Arbeitnehmer und Arbeitgeber stärker an der Finanzierung des Staates beteiligt, als wenn die fünf Milliarden Euro von allen Steuerzahlern erbracht würden.

Ob es zu einer Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung kommt, will die Bundesregierung im Herbst auf der Grundlage aktueller Arbeitsmarktdaten entscheiden. Innerhalb der Koalition von Union und SPD ist darüber in den vergangenen Tagen ein heftiger Streit ausgebrochen. Die Union will mit den frei gewordenen Mitteln den Beitragssatz senken, und zwar „unter die Marke von drei Prozent“, wie der CDU- Arbeitsmarktexperte Gerald Weiss sagt. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Ich halte trotz des SPD-Widerstandes einen Beitrag von 2,7 Prozent für realisierbar.“ Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Laurenz Meyer (CDU), plädierte dafür, insbesondere vor den Hintergrund ansteigender Beitragslasten aus den anderen Sozialversicherungssystemen.

Die Union hatte zu Beginn der Regierungszeit zugesagt, die Beitragsbelastung insgesamt unter 40 Prozent zu halten. Durch die Pflegereform war der Gesamtbeitrag bereits angestiegen, was durch eine Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages kompensiert wurde. Im kommenden Jahr werden steigende Krankenversicherungsbeiträge und möglicherweise auch steigende Rentenversicherungsbeiträge erwartet.

Spitzenpolitiker der SPD wie die beiden Fraktionsvize Ludwig Stiegler und Joachim Poß stellen die Reduzierung des Arbeitslosenbeitrags jedoch in Frage, weil der Bundesagentur im nächsten Jahr Mehrausgaben durch die nachlassende Konjunktur drohten. Die Sozialdemokraten fürchten, der Beitragssatz müsste dann – kurz nach seiner Senkung – wieder angehoben werden.

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