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Politik: „Kein Öl ins Feuer gießen“

Deutsche Politiker hoffen, dass nach den Präsidentschaftswahlen das Verhältnis zu Polen intakt bleibt

Berlin - „Das kann ja heiter werden.“ – Mit dieser Bemerkung beginnen Außenpolitiker und Polen-Experten derzeit so ziemlich jede Analyse des Wahlergebnisses im Nachbarland. Mit Wahlsieger Lech Kaczynski übernimmt ein Politiker das Präsidentenamt, der seinen Wahlkampf auch mit antideutschen Ressentiments bestritt – und der im Zusammenhang mit der Vertriebenenfrage Deutschland eine Gefahr für Polen genannt hat.

Trotzdem solle man „das Wahlergebnis jetzt erst einmal gelassen sehen“, sagt SPD-Außenpolitiker Markus Meckel. Er erwarte nicht, dass Kaczynski die deutsch-polnischen Beziehungen ernsthaft gefährden könne – solange Politiker in Deutschland jetzt „kein Öl ins Feuer gießen“. Damit zielt Meckel auf das seiner Meinung nach „unnötige“ Projekt des Bundes der Vertriebenen (BdV), ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ in Berlin anzusiedeln. Die neue Bundesregierung dürfe dieses Projekt auch weiter nicht unterstützen, fordert Meckel – und wird darin von Gesine Schwan bestärkt, der amtierenden Koordinatorin für die deutsch-polnischen Beziehungen. „Ich kann nur hoffen, dass die neue Bundesregierung das europäisch ausgerichtete Netzwerk für Erinnerung und Solidarität weiter umsetzt und nicht das Vertriebenenzentrum von Frau Steinbach“. Unter dieser Voraussetzung sehe sie die deutsch-polnischen Beziehungen „langfristig gar nicht so pessimistisch“, sagt Schwan.

Vertriebenen-Präsidentin Steinbach sieht das erwartungsgemäß anders. Das „Zentrum gegen Vertreibungen“ brauche das deutsch-polnische Verhältnis nicht zu belasten, da dort explizit auch an polnische Vertreibungsschicksale erinnert werden soll, sagt die Vertriebenen-Präsidentin. Die am Montag von Wahlsieger Kaczynski erneut bekräftigte Ablehnung des „Zentrums“ betrachte sie als „Einmischung“ in eine innerdeutsche Angelegenheit. Ohnehin würden die polnischen Ängste vor dem Vertriebenenzentrum „überzeichnet“. Problematischer würden im Nachbarland deutsch-russische Alleingänge über die Köpfe der Polen hinweg empfunden – wie jüngst bei der Unterzeichnung des Erdgaspipeline-Projekts durch die Ostsee durch Gerhard Schröder und Wladimir Putin ohne polnische Beteiligung.

Hier habe es eine „falsche Kommunikation“ gegeben, kritisiert auch Meckel seinen Parteifreund Schröder. „Berlin und Warschau müssen verstärkt darauf hinarbeiten, dass das deutsch-polnische Verhältnis wieder in Ordnung kommt“, hofft auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, Elmar Brok (CDU). Die Teilnahme des scheidenden Bundeskanzlers Gerhard Schröder am Dreier-Gipfel im Juli mit Russlands Präsident Wladimir Putin und Frankreichs Staatschef Jacques Chirac anlässlich der 750-Jahr-Feiern in Kaliningrad habe dem Verhältnis zwischen Berlin und Warschau geschadet, klagt Brok. Zu der Feier des früheren Königsberg waren keine Vertreter der russischen Nachbarn Polen und Litauen eingeladen worden.

Irena Lipowicz, Sonderbeauftragte für deutsch-polnische Beziehungen in Warschau, die in „Zentrums“-Fragen ganz auf einer Linie mit ihrer Amtskollegin Schwan liegt, wünscht sich mit Blick auf den polnischen Machtwechsel jetzt eine etwas „ruhigere“ Debatte in Deutschland. So glaubt sie nicht, dass sich ein genereller Kurswechsel in der Politik beider Länder anbahnt. Was beispielsweise Außenpolitik und die Beziehung zu den USA betreffe, könne sie sich vorstellen, dass die Übereinstimmungen sogar größer sind, sagte sie dem Tagesspiegel.

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