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Politik: Kein Verlangen nach Änderung

Von Martin Gehlen Ihr Fall machte Schlagzeilen. Diane Pretty ist 43 Jahre alt und an den Rollstuhl gefesselt.

Von Martin Gehlen

Ihr Fall machte Schlagzeilen. Diane Pretty ist 43 Jahre alt und an den Rollstuhl gefesselt. Die Mutter zweier Kinder leidet seit 1999 an einer so genannten amyotrophischen Lateralsklerose (ALS), einer rasch fortschreitenden Erkrankung des zentralen Nervensystems. Mittlerweile ist sie vom Kopf an abwärts gelähmt. Sie fürchtet einen qualvollen Tod durch Ersticken und will vorher mit Hilfe ihres Mannes in Würde sterben. Im vergangenen Sommer beantragte sie bei der britischen Justiz Straffreiheit für ihren Mann Brian, falls dieser ihr Sterbehilfe leistet. Das Gericht lehnte ab. Diane Pretty zog vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Auch der wies ihre Klage ab. Damit droht dem 44-jährigen Ehemann jetzt eine Haftstrafe von bis zu 14 Jahren, wenn er den Wunsch seiner Frau erfüllt. Denn in Großbritannien sind Sterbehilfe und Beihilfe zum Selbstmord verboten – ähnlich wie in Deutschland und fast allen anderen europäischen Ländern. Einzige Ausnahme sind die Niederlande. Dort ist aktive Sterbehilfe durch den Arzt seit Anfang 2002 per Gesetz straffrei, wenn ein Patient unerträglich leidet und aussichtslos krank ist. Ähnliche Bestrebungen gibt es auch in Belgien.

Das Verbot der Sterbehilfe in Deutschland ist über die Parteigrenzen hinweg unumstritten. Paragraph 216 des Strafgesetzbuches droht bei „Tötung auf Verlangen" mit bis zu fünf Jahren Haft. Einhellig positiv reagierten hierzulande Kirchen, Politik, Ärztevertreter und die Deutsche Hospiz Stiftung auf das Straßburger Urteil. Es zeige, dass der Gerichtshof grundsätzlich von einem umfassenden Lebensschutz ausgehe, erklärte die Deutsche Bischofskonferenz. Bundesärztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe bezeichnete das Urteil als „eine Entscheidung für das Leben". Das Gericht habe bekräftigt, dass es kein Grundrecht auf aktive Sterbehilfe gebe, erklärte er. Ein derartiges Recht wäre zwar „die ultimative Verwirklichung des vermeintlichen Rechts auf Selbstbestimmung", sagte Hoppe. Doch sei dann der Weg nicht mehr weit in eine Gesellschaft, „die den Menschen den Tod nahe legt, wenn sie mit dem Leben nicht mehr zurechtkommen".

Die Deutsche Hospiz Stiftung wies darauf hin, dass Schwerkranke wie Diane Pretty nicht qualvoll sterben müssten. Sie und die Angehörigen bräuchten vor allem psychosoziale Begleitung. „Unter diesen Voraussetzungen haben sie keinen quälenden Todeskampf, sondern schlafen in der Regel ruhig ein, ein natürlicher Tod, auf den jeder ein Recht hat", sagte Stiftungsärztin Monika Schweihoff.

In Großbritannien äußerte sich ebenfalls die katholische Kirche zufrieden über die Straßburger Entscheidung. Erzbischof Peter Smith von Cardiff sagte, die Richter hätten an der Heiligkeit des menschlichen Lebens festgehalten. Zwar erkenne er das Leid der Kranken an, dennoch könne die Kirche keiner Form von Euthanasie zustimmen. Zugleich habe die Gesellschaft die Pflicht, gegen das Leiden von Menschen anzugehen und eine gewisse Lebensqualität zu sichern, sagte der Erzbischof. Michael Wilks, Vorsitzender des Ethik-Ausschusses der angesehenen British Medical Association, erklärte, er habe zwar volles Mitgefühl mit der schwierigen Lage von Frau Pretty. Aber der Europäische Gerichtshof habe die richtige Entscheidung getroffen. Die Mitglieder der British Medical Association hätten das Problem im Frühjahr 2000 auf einer Euthanasie-Fachkonferenz intensiv debattiert. Trotz sehr gegensätzlicher ethischer Grundauffassungen sei sich die überwältigende Mehrheit einig gewesen, das britische Recht dürfe nicht geändert und aktive Sterbehilfe dürfe nicht legalisiert werden.

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