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Politik: Keine kritischen Fragen

Künftige Kommissarin aus Lettland stellt sich heute dem EU-Parlament

Der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit spricht von einer „Übergangs-Kommission“. Und in der Tat zeigt Romano Prodis oberste EU-Behörde erste Auflösungs-Erscheinungen: Der bisherige EU-Kommissar für Regionalpolitik, Michel Barnier, ist in Frankreich Außenminister geworden, die bislang in Brüssel für Soziales zuständige Anna Diamantopoulou führt inzwischen in Athen die Opposition an, und Währungshüter Pedro Solbes wird künftig in der Madrider Regierung stellvertretender Ministerpräsident sein. Frisches Blut für die Kommission kommt nun aus dem Osten und Süden – ab dem heutigen Dienstag müssen vor dem Europaparlament in Brüssel die künftigen EU-Kommissare der zehn neuen Beitrittsstaaten Rede und Antwort stehen. Sie müssen sich im Kreis der bisherigen Brüsseler Kollegen in den kommenden sieben Monaten erst einmal einarbeiten, bevor dann im November Romano Prodis Nachfolger die Geschäfte übernimmt. „Sie sind Praktikanten bei den bestehenden EU-Kommissaren“, beschreibt der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok ihre Rolle.

Erst im Herbst, wenn die neue Kommission steht, wird das Europaparlament die Männer und Frauen aus dem Gremium genauer unter die Lupe nehmen, glaubt auch Cohn-Bendit. Die Anhörung der zehn neuen Kommissare aus den osteuropäischen Staaten sowie Zyperns und Maltas in dieser Woche sei dagegen eher eine „Routineangelegenheit“, sagte Cohn-Bendit, der an der Spitze der deutschen Grünen für das Europaparlament kandidiert, dem Tagesspiegel.

Für etwas Spannung dürfte allerdings am heutigen Dienstag die Anhörung der bisherigen lettischen Außenministerin Sandra Kalniete sorgen. Die künftige EU-Kommissarin hatte im März in ihrer Rede zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse gesagt, es gebe Erkenntnisse, dass der Nationalsozialismus und der Kommunismus gleichermaßen kriminell waren. Gegen diese Äußerung hatte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, protestiert. Cohn-Bendit glaubt zwar, dass es bei der Anhörung Kalnietes im Europaparlament nach dem Eklat auf der Leipziger Buchmesse „sicher Nachfragen" geben werde. Er schränkte aber ein, dass die deutsche Debatte um den Holocaust und der seinerzeitige Historikerstreit um den Vergleich zwischen Kommunismus und Stalinismus „nicht auf die europäische Ebene übertragen werden kann". Der Vergleich Kalnietes zwischen Nationalsozialismus und Kommunismus lasse sich aus der „realen Erfahrung mit dem Kommunismus" erklären, die die Menschen im Baltikum gesammelt hätten.

Ähnlich sieht es auch der CDU-Europaabgeordnete Brok. Die Frage, ob ihr historischer Vergleich zulässig war, sei „eine ziemlich deutsche Diskussion“, sagte er. Kalnietes Äußerung ergebe sich auch aus ihrer persönlichen Geschichte, fügte Brok hinzu. Sandra Kalniete wurde vor 51 Jahren in einem der Gulag-Lager Stalins geboren. Dorthin waren ihre Eltern deportiert worden, weil sie als Feinde des Sowjetregimes galten.

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