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Exklusiv

Politik: Keine Strafen nach Nazi-Überfall in Thüringen

Der Überfall von Neonazis auf Gewerkschafter vor einem Jahr an der Thüringer Autobahnraststätte Teufelstal hat kaum Folgen: Eine Anklage ist nicht in Sicht. Scharfe Kritik an den Behörden kommt aus DGB, SPD, von den Grünen und den Linken.

Berlin - Der rechtsextreme Angriff war lebensbedrohlich und löste bundesweit Empörung aus, doch offenbar muss kein Täter eine Strafe fürchten: Ein Jahr nach dem Überfall von Neonazis auf Gewerkschafter an der Thüringer Autobahnraststätte Teufelstal ist keine Anklage in Sicht, geschweige denn ein Prozess. Die Ermittlungen gegen 37 Beschuldigte seien nach widersprüchlichen Zeugenaussagen eingestellt worden, sagte der zuständige Staatsanwalt in Gera, Jens Wörmann, dem Tagesspiegel. Das Verfahren gegen vier Schweden sei zwar noch offen, doch habe er es bislang nicht geschafft, ein Rechtshilfeersuchen in die Wege zu leiten. Der Staatsanwalt verwies auf seine enorme Arbeitsbelastung. Außerdem sieht er die Chancen einer Rechtshilfe ohnehin skeptisch: Es sei unklar, ob die gesuchten Rechtsextremisten in ihrer Heimat etwas sagen würden. Eine Auslieferung sei nicht zu erwarten.

Bei dem Angriff am 14. Februar 2009 hatte ein hessischer Gewerkschafter schwere Kopfverletzungen erlitten, Kollegen kamen mit leichteren Wunden davon. Belastet hat die Ermittlungen auch, dass die Polizei nach der Tat den Bus der Rechtsextremen nur anhielt, um die Personalien aufzunehmen. Auf eine Gegenüberstellung mit Opfern und Augenzeugen des Überfalls wurde verzichtet. Der Bus mit den Neonazis konnte nach der Kontrolle weiterfahren, die mutmaßlichen Haupttäter aus Schweden verschwanden in ihre Heimat.

Der Fall bleibt zudem brisant, da die Gewerkschafter aus Hessen und Nordrhein-Westfalen gleich nach der Teilnahme an Protesten gegen den jährlichen rechtsextremen „Trauermarsch“ in Dresden attackiert wurden, der am Sonnabend erneut ansteht. Auch die rechten Schläger waren damals aus Dresden abgereist, womöglich kommen sie nun wieder. Die Sicherheitsbehörden befürchten Gewalttaten, auch vor und nach dem braunen Aufzug. Dass dem schweren Angriff vom vergangenen Jahr keine Strafe folgte, wühlt die Nazi-Gegner zusätzlich auf.

„Ich kann nur noch den Kopf schütteln“, sagte Stefan Körzell, Vorsitzender des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen. Erst habe die Polizei nach der Tat Fehler gemacht, jetzt gebe es Unzulänglichkeiten bei der Justiz. Dennoch würden die Gewerkschafter am Samstag wieder nach Dresden fahren, um gegen den Aufmarsch zu protestieren. Auch der Vizepräsident des Thüringer Landtags Heiko Gentzel (SPD) hat für das Verhalten der Behörden im Fall Teufelstal „kein Verständnis“. Seine Amtskollegin von den Grünen, Astrid Rothe-Beinlich, spricht von einem Skandal – wie auch Bodo Ramelow, Fraktionschef der Linken.

Unterdessen bleibt die Lage in Dresden vor dem nächsten „Trauermarsch“ unklar: Das sächsische Oberverwaltungsgericht will bis Freitag entscheiden, ob die Neonazis durch die Stadt ziehen oder nur eine Kundgebung abhalten dürfen.

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