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Politik: Kinder arbeiten für Schokolade

Die Regierung geht neue Wege und will mit der Süßwarenindustrie Projekte in Westafrika fördern – ein Beitrag zum Weltkindertag

Von Dagmar Dehmer

und Ulrike Scheffer

Boykott ist ein hartes Wort. Aber es wirkt – und hat schon so manches Unternehmen dazu gebracht, die Arbeitsbedingungen an ihren Produktionsstandorten in der Dritten Welt zu verbessern. Vor allem, wenn es um Kinderarbeit geht, verstehen die Konsumenten keinen Spaß. Das weiß auch die Schokoladenindustrie. Viele Mütter würden es sich gut überlegen, ihrem Sprössling weiter Nesquik, Kaba oder Suchard Express zum Frühstück zu mixen, wenn sie wüssten, der Kakao dafür wurde von Kindern geerntet.

Aber so einfach ist die Sache nicht. Eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Hilfsorganisation USAID hat zwar festgestellt, dass auf afrikanischen Kakaoplantagen Kinder arbeiten und manche gar wie Sklaven gehalten werden. Doch diese Plantagen gehören nicht der Industrie. Sie kauft den Kakao, nachdem er durch die Hände vieler Zwischenhändler gegangen ist. Für die Verhältnisse auf den Plantagen kann man den Hersteller eines Schokoriegels also nicht unmittelbar verantwortlich machen.

Dennoch will die Industrie „dazu beitragen, das Problem zu lösen“, wie Karsten Keunecke, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Süßwarenindustrie, sagt. Die Angst vor einem Boykott mag dabei eine Rolle spielen. Zumal auch die Bundesregierung aufmerksam geworden ist. Matthias Berninger (Grüne), Staatssekretär im Verbraucherministerium, weist darauf hin, dass Deutschland der zweitgrößte Schokoladenmarkt der Welt ist. „Deshalb sollten wir mehr Verantwortung übernehmen.“

Westliche Regierungen und nicht-staatliche Organsisationen versuchen seit Jahren, die betroffenen Länder und die Industrie für gemeinsame Initiativen zu gewinnen. Berninger hat am Rande des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg mit der Regierung der Elfenbeinküste verhandelt. Dabei herausgekommen ist eine Konferenz, zu der die deutsche Regierung „alle Beteiligten“ einladen will. Das Ziel: Die Kinder im Kakaogürtel sollen eine Schulbildung bekommen und zumindest nicht mehr mit giftigen Pestiziden arbeiten müssen. Berninger verlangt, dass „Hersteller, Handel und Anbauverbände einen Beitrag zur Lösung des Problems leisten“. Zum Beispiel könnte die Industrie Schulen finanzieren und bäuerliche Kooperativen unterstützen.

Die Elfenbeinküste ist mit 40 Prozent Marktanteil der mit Abstand größte Kakaoproduzent weltweit. Insgesamt, so ergab die Studie von ILO und USAID, sind mehr als 625 000 Kinder in der Kakaoproduktion des Landes beschäftigt. Die meisten sind Kinder oder Verwandte der Farmbesitzer; etwa 5000 werden in anderen Landesteilen oder Nachbarländern angeworben. Da deren Eltern das angebotene Geld dringend benötigen und sich die Kinder eine bessere Zukunft versprechen, kommen sie in der Regel sogar freiwillig mit auf die Plantagen – obwohl die Arbeits- und Lebensbedingungen dort alles andere als kindgerecht sind.

Die Süßwarenindustrie sieht nach Aussage Keuneckes vor allem die afrikanischen Regierungen in der Pflicht, „den Produzenten klar zu machen, dass sie ihre Wertmaßstäbe überdenken müssen“. Die Farmer verweisen indes auf ihre schwierige wirtschaftliche Situation, die es ihnen unmöglich mache, mehr Arbeiter zu beschäftigen. Tatsächlich gehen die Weltmarktpreise für Kakao seit Jahren zurück. Vielen Farmern geht es so schlecht, dass sie ihre Pflanzen kaum noch erneuern und den Rohkakao nicht mehr fachgerecht verarbeiten können. Die Folge: Erträge und Qualität gehen zurück. Für die Industrie ist wohl auch dies ein Grund, sich stärker um die Produzenten zu kümmern.

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