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Politik: Kinderlärm schadet nicht

Bundesregierung beschließt: Klagen gegen Kitas sollen erschwert werden

Berlin - Anwohner, die gegen Kinderlärm klagen, werden es in Zukunft deutlich schwerer haben. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch beschlossen, das Immissionsschutzgesetz entsprechend zu ändern. In einem neu eingefügten Abschnitt heißt es, Kinderlärm sei „im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung“. Damit muss Kinderlärm, der von Kitas ausgeht, künftig toleriert werden – anders als etwa Maschinen- oder Verkehrslärm. Zudem will die Bundesregierung das Baurecht ändern und Kindertageseinrichtungen in Wohngebieten generell erlauben. In den vergangenen Jahren hatten Anwohner immer wieder geklagt und so neue Kitas verhindert.

Wenig kinderfreundlich hatte sich in der vergangenen Woche auch Leonhard Kuckart, Vizevorsitzender der Senioren- Union der CDU, gezeigt. Er bezeichnete die Neuregelung als verfassungswidrig und verwies auf das Ruhebedürfnis älterer Menschen. Kuckart vertrat aber offenbar nur eine Einzelmeinung. Am Mittwoch sprach sich der Bundesvorsitzende der Senioren-Union, Otto Wulff, für die Novelle aus. „Solidarität zwischen den Generationen muss erlebt, gelebt und nötigenfalls erlernt werden – und zwar dort, wo das Leben ist: mitten unter uns“, sagte Wulff.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sagte, selten hätten ihn so viele Reaktionen von Bürgern erreicht wie in den vergangenen Tagen. „Hier besteht ein eindeutiger Wunsch über Gesellschafts- und Altersschichten hinweg: Wir wollen Kinder in der Mitte der Gesellschaft.“ In Zukunft sollten Konflikte wegen Kinderlärms nicht mehr vor Gericht ausgetragen werden. Stattdessen sollten Nachbarn miteinander reden und sich einigen.

Für Kommunikation statt Klagen plädierte auch die Lärmforscherin Brigitte Schulte-Fortkamp von der Technischen Universität Berlin. „Die gute alte Mittagsruhe kann ein Vorbild sein“, sagte sie. Nachbarn von Kindertagesstätten sollten nicht von morgens bis abends beschallt werden, denn auch Kinderlärm könne zu Ärger führen. Krank mache er aber ihrer Meinung nach nicht. „Kinderlärm erreicht zwar die gleichen Pegel wie zum Beispiel Maschinenlärm. Er wird aber anders wahrgenommen, denn er ist von Menschen gemacht.“

Auch die Opposition und der Deutsche Städtetag befürworteten die Entscheidung des Kabinetts. Die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth, sagte, Kitas gehörten dorthin, wo Kinder und Familien wohnten. „Kinder dürfen nicht hinter Lärmschutzwände oder ins Gewerbegebiet verdrängt werden. Das wäre ein Signal an Kinder, dass sie stören und nicht gewollt sind.“

Die Gesetzesänderung gilt sowohl für bestehende als auch für neu gebaute Spielplätze, Kindergärten und Kindertagesstätten. Der Lärm, den Kinder beim privaten Spielen verursachen, ist aber von der Neuregelung ausgeschlossen. Gegen bolzende Kinder auf dem Parkplatz könnten Nachbarn also auch weiterhin klagen.

Der Bundestag muss dem Vorschlag noch zustimmen. Das Land Berlin hatte Kinderlärm schon vor einem Jahr rechtlich bessergestellt und eine Vorreiterrolle unter den Bundesländern eingenommen.

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