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Kinderpornagrafie im Internet: Bis zur Sperre

Ministerin von der Leyen will gegen Kinderpornografie im Internet vorgehen. Wie sinnvoll sind ihre Vorschläge?

Familienministerin Ursula von der Leyen will das weltweite Geschäft mit Kinderpornografie im Internet „empfindlich stören“. Einen Markt, in dem Millionen umgesetzt werden, und der stetig wächst. „Die Opfer werden immer jünger, die Taten immer brutaler“, beklagt die CDU-Politikerin. Deutsche Internetanbieter sollen deshalb künftig zur Blockade von Kinderpornografie-Seiten verpflichtet werden. Nach dem Vorbild Norwegens soll ein rotes Stopp-Schild auf dem Bildschirm erscheinen, wenn ein Nutzer solche Seiten im Internet aufruft. Das Filtersystem, das in Norwegen seit 2004 eingesetzt wird, sorgt dafür, dass das Stopp-Schild bis zu 18 000 Mal am Tag erscheint, sobald ein Nutzer die gesperrte Seite eingibt.

Bisher hatte die Politik darauf gesetzt, dass die Internetanbieter selbst sicherstellen, dass auf ihren Seiten keine Kinderporno-Angebote abrufbar sind. Doch nun dringt die Familienministerin darauf, dass bis Anfang März eine „verbindliche Abmachung“ über den Einsatz eines Filters mit den sieben großen deutschen Internetanbietern getroffen wird, die 95 Prozent des Marktes abdecken. Das Bundeskriminalamt (BKA), das schon jetzt kinderpornografische Internetseiten aufspürt, soll seine Listen künftig den Anbietern melden, damit diese sie dann umgehend sperren können. Die mit den Internetanbietern getroffenen Vereinbarungen sollen dann ins Telemediengesetz aufgenommen werden.

Was würde ein Internetfilter bringen?

Von einer Sperrung der Seiten darf man nach Ansicht der Grünen-Familienpolitikerin Ekin Deligöz „keine Wunder“ erwarten. „Der Zugang zu Internetseiten kann blockiert werden, aber nicht der Zugang zu Pornografie. Der Konsum verschiebt sich auf ausländische Seiten oder auch auf den Postweg“, sagt Deligöz, die in Kürze den Vorsitz der Kinderkommission des Deutschen Bundestags übernimmt. „Immerhin wird der Zugang zu Kinderpornos erschwert“, sagt die Grünen-Politikerin, die eine Gesetzesänderung deswegen auch unterstützt. Deligöz setzt sich darüber hinaus für einen stärkeren Schutz der Opfer ein – beginnend bei der Aufklärung in der Schule. Nach Angaben des Deutschen Kinderschutzbundes werden rund 80 Prozent der Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern im familiären Umfeld begangen, dies gilt unter anderem für die Aufnahme kinderpornografischer Bilder.

Laut einer britischen Studie sind 80 Prozent der Opfer von Kinderpornos jünger als zehn Jahre, ein Drittel unter drei Jahren und zehn Prozent unter zwei Jahren. Bis zu 80 Euro im Monat zahlen Nutzer in Europa, um sich die Filme aus dem Internet herunterzuladen. Für die Anbieter ein lukratives Geschäft: Einer Studie der G-8-Staaten zufolge verdienen sie in einer Woche rund 1,3 Millionen US-Dollar.

Auch Harald Summa, Geschäftsführer des Providerverbandes Eco, widerspricht Erwartungen, durch die Filterung könne die Kinderpornografie an sich verhindert werden. „Wir erschweren nur den Zugang zu den Seiten und schützen die zufälligen Besucher. Einen Effekt auf die Anzahl der kinderpornografischen Seiten wird das Gesetz jedoch nicht haben“, sagt Summa. „Die Nutzer, die solche Seiten absichtlich ansteuern, haben ganz andere Kanäle und technische Möglichkeiten wie verschlüsselte Seiten.“

Kann das Filtersystem auch für andere

Zwecke missbraucht werden?

Übereinstimmung herrscht darüber, dass die Filterung auf einer klar umrissenen gesetzlichen Grundlage beruhen muss, die eine inhaltliche Ausweitung etwa auf Terrorismusbekämpfung verhindert. „Im Gesetz wird ganz klar stehen, dass es um die Sperrung kinderpornografischer Seiten und Inhalte geht“, sagt Summa.

Datenschützer äußern sich zurückhaltend zu den Vorschlägen. „Grundsätzlich gibt es bei dem Blockieren solcher Seiten kein Datenschutzproblem“, sagt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Dabei komme es aber auf die technische Ausgestaltung der Filterung an, also ob betreffende Seiten bereits bei den Internet anbietern gesperrt werden oder erst dem jeweiligen Nutzer der Zugriff verwehrt wird. „Wenn etwa die Telekom auswertet, welche Internetadresse jemand aufruft, wäre das eine komplett neue Technologie. Damit müsste im Grund das gesamte Surfverhalten eines Nutzers durch solch einen Filter hindurch – und da sehe ich durchaus ein Datenschutzproblem“, sagt Schaar. Damit würde eine Überwachungsstruktur geschaffen, die sich mühelos auf andere Inhalte ausweiten ließe.

Bisher wurde Schaar nach eigenen Angaben noch nicht von den zuständigen Ministerien eingeschaltet. „Wenn aber nun etwas Konkretes mit den Internetanbietern verabredet wird, dann sollte der Datenschutz berücksichtigt werden“, fordert er. „Es muss vermieden werden, dass normales individuelles Surfverhalten nachverfolgt wird.“ Sonst könnte solch ein Filter etwa auch für die Kontrolle von Urheberrechten benutzt werden.

Wie konkret sind die Pläne?

So klar die Absicht ist, die Diskussion über die Wege dahin hat noch nicht begonnen. Die jetzt gebildete Arbeitsgruppe aus den drei Ministerien (Familie, Inneres und Wirtschaft), dem BKA und den Providern wird sich zwar in den nächsten Wochen zusammensetzen, doch sonst steht nur sehr wenig definitiv fest – etwa dass die Pflege der Liste mit den zu sperrenden Internetseiten das BKA übernehmen soll. Über alles andere muss noch geredet werden: „Noch ist weder entschieden, ob die norwegische Lösung oder die von der British Telecom entwickelte etwas aufwendigere Technik eingesetzt wird, noch wissen wir, was das Ganze kostet und wer dafür aufkommen muss“, sagt Summa.

Auch die Frage der Technik ist nicht trivial. Zwar spricht für die norwegische Lösung, dass sie auch in Schweden, Dänemark, Holland, Schweiz, Italien, Neuseeland und Finnland eingesetzt wird. Doch auch sie arbeite nicht problemlos, sagt Summa. In Finnland habe es Fälle gegeben, bei denen unbescholtene Unternehmen auch auf dieser Liste gelandet sind.

August-Wilhelm Scheer, Präsident des IT-Spitzenverbandes Bitkom, weist darauf hin, dass mit technischen Problemen gerechnet werden müsse. Von den Sperrungen können auch saubere Seiten betroffen sein. „Wir brauchen eine klare Aussage in dem geplanten Gesetz, dass die Provider keine rechtlichen Risiken eingehen“, fordert er.

Unklar ist zudem, über welche Größenordnung bei der Sperrung gesprochen wird. Statt 1000 Seiten mit Kinderpornografie musste die norwegische Liste nach Angaben von Eco zwischenzeitlich auf 6000 erweitert werden – was höhere Kosten nach sich zieht. Auch habe sich herausgestellt, dass eine tägliche Aktualisierung der Liste nicht ausreicht, es eher um stündliche Updates gehe, sagt Summa. Außerdem sei die Liste bereits erfolgreich gehackt und ins Internet gestellt worden.

In einer Sache stimmen von der Leyen und die Provider überein: Eine Lösung von jetzt auf gleich wird es nicht geben. Von der Leyen möchte den Filter noch vor der Bundestagswahl einschalten. Aus Großbritannien ist bekannt, dass die Einführung gut ein halbes Jahr gedauert hat.

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