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Kindesmissbrauch: Leutheusser will Recht auf Entschädigung stärken

Die Zahl der aufgedeckten Missbrauchsfälle wächst. Die FDP fordert nun eine Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfristen. Doch auch die Kirche solle handeln.

Nach Bekanntwerden von Kindesmissbrauch an der hessischen Odenwaldschule sowie mehreren katholischen Einrichtungen will Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Rechte der Opfer auf Entschädigung stärken. Ebenso sprach sie sich für eine freiwillige Entschädigung der Opfer durch die katholische Kirche aus. "Es braucht ein klares Signal an die Opfer, wie zum Beispiel das Gespräch über freiwillige Wiedergutmachungen in den Fällen, in denen die rechtliche Verjährung eingetreten ist", sagte die Ministerin der Süddeutschen Zeitung.

Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass nur Fälle zugegeben würden, die sich nicht länger bestreiten ließen, fügte die Ministerin hinzu. Zugleich forderte Leutheusser-Schnarrenberger die katholische Kirche abermals auf, die Aufklärung von Missbrauchsfällen konsequenter anzugehen als bisher.

Aber auch die zivilrechtliche Verjährungsfrist sollten verlängert werden, sagte Leutheusser-Schnarrenberger der Passauer Neuen Presse. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) und FDP-Rechtsexperte Hartfrid Wolff wurden konkret und sprachen sich dafür aus, die Verjährungsfrist für Ersatzansprüche auf 30 Jahre zu verlängern. Leutheusser-Schnarrenberger zeigte sich dagegen skeptisch angesichts Forderungen nach einer Verlängerung der strafrechtlichen Verjährungsfristen, wie sie unter anderem Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) verlangt hatte. Abhängig vom möglichen Strafmaß verjährt Missbrauch derzeit nach fünf bis zehn Jahren, gerechnet ab der Volljährigkeit des Opfers.

Unterdessen werden immer mehr Fälle bekannt. Nachdem Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen für Aufsehen sorgen, erreicht der Skandal nach Informationen der Nassauischen Neuen Presse jetzt auch die Limburger Domsingknaben. Ein ehemaliges Chormitglied habe Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst angeschrieben und ihm von Übergriffen des damaligen Dirigenten zwischen 1967 und 1973 berichtet. Der beschuldigte Domkapellmeister und Priester ist 2002 gestorben.

Auch gegen eine der ältesten diakonischen Einrichtung Deutschlands gibt es nun erste Missbrauchsvorwürfe. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt gegen 17 ehemalige Mitarbeiter eines Tochterunternehmens der Graf-Recke-Stiftung. Staatsanwalt Johannes Mocken bestätigte einen entsprechenden Bericht der ARD-tagesschau. Bei den Ermittlungen gehe es um Misshandlung Schutzbefohlener, Freiheitsberaubung und Nötigung unter anderem von autistischen Kindern bei der Düsseldorfer Stiftungstochter Educon, die Schulen für behinderte und verhaltensauffällige Kinder betreibt.

Mocken sprach von einem "extrem rüden Umgang" mit den Kindern. Grundlage der Ermittlungen seien unter anderem zahlreiche Videos, auf denen der Umgang gefilmt worden sei: "Die Bilder sind teilweise extrem erschreckend", sagte der Staatsanwalt. Die Ermittlungen würden Monate dauern. Zu den konkreten Vorwürfen wollte sich ein Sprecher der Stiftung nicht äußern.

Auch in den Niederlanden weitet sich ein Skandal um sexuellen Missbrauch von Kindern in Einrichtungen der Katholischen Kirche weiter aus. Neben etlichen Priestern werden jetzt erstmals
auch Nonnen beschuldigt, sich an kleinen Jungen vergangen zu haben, berichtete die Zeitung De Telegraaf.

Unter anderem schildert ein heute 63-Jähriger in dem Zeitungsbericht, wie er als knapp Elfähriger von Ordensschwestern in der katholischen Internatsschule "De Munt" in Tegelen unweit der
Grenze zu Nordrhein-Westfalen sexuell missbraucht wurde. In der Zeitung De Limburger gestand ein Geistlicher ein, dass er einst im Jungenpensionat "St. Maria ter Engelen" mehrfach Zeuge von Kindesmissbrauch durch Priester geworden sei.

Mehr als 200 mutmaßliche Opfer von sexuellem Missbrauch innerhalb der Katholischen Kirche der Niederlande haben bislang bei Behörden und Hilfsorganisationen entsprechende Beschwerden eingelegt. Die Aufdeckung sei auch durch den Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche Deutschlands gefördert worden, hieß es in Medienberichten.

Auch in Österreich sind an zwei Einrichtungen der katholischen Kirche Fälle von Kindermissbrauch bekannt geworden. Wie österreichische Medien berichteten, wird dabei auch der derzeitige Erzabt des Stiftes St. Peter in Salzburg beschuldigt, der zum Tatzeitpunkt Priesteramtsanwärter war. Er habe den Missbrauch, der rund 40 Jahre zurückliegt, bereits gestanden und seinen Rücktritt angeboten. Wie das heute 53-jährige Opfer dem Radiosender Ö1 sagte, wurde er auch von zwei anderen Patres der Benediktiner-Abtei sechs Jahre lang immer wieder missbraucht.

Die beiden Geistlichen, von denen einer inzwischen gestorben ist, wurden nach Angaben der Salzburger Staatsanwaltschaft 2005 in Marokko wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen festgenommen. Einer von ihnen wurde deshalb auch in Österreich verurteilt. Der Erzabt des Klosters hat dem Opfer dem Bericht zufolge Ende 2009 in einem Brief 5000 Euro angeboten. Der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser sagte dem Radiosender, die Summe sei kein Schweigegeld, sondern als Schmerzensgeld gedacht gewesen. "Das wollten wir auch mit dem Betroffenen abklären, wie viel das denn sein kann", sagte der Bischof.

Auch im Internat eines Privatgymnasiums des Bregenzer Zisterzienser-Klosters wurde in den 1980er Jahren mindestens ein Schüler sexuell missbraucht. Die Tat wurde von der Schule jahrelang vertuscht. Wie Abt Anselm van der Linde den Vorarlberger Nachrichten sagte, war der Täter geständig. Die Schule habe den zuständigen Bischof informiert und den heute 74-Jährigen nach Tirol versetzt, wo er heute noch als Priester arbeite. Er habe auch eine Therapie gemacht. Der Vater des Jugendlichen habe damals auf eine Anzeige verzichtet.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters, AFP

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