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Papst

© AFP

Kirche: Der Papst glaubt an die Brüder

Papst Benedikt XVI. nähert sich den Pius-Traditionalisten an. Doch die werfen ihm vor, die reine Lehre zu verraten.

Den Stand der Dinge belegen am besten zwei aktuelle Zitate. Er „vertraue darauf“, sagte Papst Benedikt XVI. vor der Vollversammlung der vatikanischen Glaubenskongregation, „dass jene Probleme der (katholischen) Lehre überwunden werden, die von Seiten der Piusbruderschaft einer vollen Gemeinschaft mit der Kirche im Wege stehen.“

Fast gleichzeitig, nach dem Besuch Benedikts XVI. in der Synagoge am vergangenen Sonntag, erklärte die traditionalistische Bruderschaft via Internet: Die „Predigt des Papstes“ im jüdischen Gebetshaus habe keinen Aufruf zur Missionierung der Juden enthalten; damit sei Benedikt „von Grund auf von der Lehre der Apostel Petrus und Paulus abgewichen.“ Noch klarer kann man es kaum formulieren: Die Piusbruderschaft beschuldigt den Papst der Ketzerei.

Und noch einer hat sich zu Wort gemeldet: Richard Williamson, einer der vier Traditionalistenbischöfe, deren Exkommunikation der Papst vor genau einem Jahr aufgehoben hat, der sich aber zeitgleich als notorischer Leugner des Holocaust herausgestellt hat. Williamson sagte ebenfalls per Internet, jedermann glaube, „dass Israel ein rechtmäßiger Staat sei; das muss aber nicht bedeuten, dass er es auch ist.“ Die Gespräche zwischen seinen Traditionalisten und dem Vatikan seien „ein Dialog unter Taubstummen“. Und in Deutschland, wo er ab März einen Prozess wegen Volksverhetzung erwartet, werde er „verfolgt“.

So also reden sie miteinander und übereinander. Zum zweiten Mal haben sich die Verhandlungskommissionen von Vatikan und Piusbrüdern am Montag dieser Woche in der Glaubenskongregation getroffen. Sprach der Vatikan nach der ersten Runde im Oktober 2009 noch von einem „herzlichen, respektvollen und konstruktiven Klima“, so überging er die zweite Begegnung mit Schweigen.

Man rede, ließ sich der Sekretär der zuständigen Kommission, Guido Pozzo, lediglich entlocken, über die bekannten Meinungsunterschiede in Sachen katholischer Lehre: So verweigern sich die Ultrakonservativen dem Dialog mit anderen christlichen Konfessionen und anderen Religionen; sie lehnen die moderne Form der katholischen Messe komplett ab; sie wenden sich gegen Religionsfreiheit und das Ja der Kirche zu einem weltanschaulich neutralen Staat. Grundsätzlich verurteilen sie die „Öffnung zur Welt“, die die Kirche mit ihrem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) vorgenommen hat, als einen Verrat an der Tradition.

Ein Zeitplan für die Verhandlungen, vor allem aber ein zeitlicher Horizont für eine mögliche Einigung oder einen erneuten Bruch sind nicht in Sicht. Erzbischof Bernard Fellay, der Leiter der Piusbruderschaft, sagte einmal, die Gespräche könnten gut ein Jahr dauern; er sagte aber auch, eine Rückkehr und „Wiederherstellung der Kirche“ werde mehr als eine Generation dauern, „vielleicht sogar ein Jahrhundert“. Fellay meinte natürlich, was die Traditionalisten insgesamt meinen, wenn man sie auf die Verhandlungen mit dem Vatikan anspricht: die „Wiederherstellung“ der katholischen Kirche im Sinne der Piusbruderschaft, die für sich in Anspruch nimmt, die einzige katholische Wahrheit zu vertreten.

Das Dekret, mit dem Benedikt XVI. „in einem Akt väterlicher Barmherzigkeit“ die vier illegal geweihten Traditionalistenbischöfe in die katholische Kirche zurückholte, hatte vor einem Jahr beträchtlichen Staub aufgewirbelt. Schlagzeilen machten vor allem die Äußerungen des Holocaust-Leugners Williamson, die genau in jenen drei Tagen weltweit bekannt wurden, die zwischen der päpstlichen Unterzeichnung des Dekrets (am 21. Januar 2009) und dessen Veröffentlichung (am 24. Januar) lagen – ohne dass Rom darauf reagiert hätte.

Dem Vatikan hielt man damals vor, er untersuche aufs Peinlichste die Biografie jedes Pfarrers, der irgendwann zum Weihbischof erhoben werden solle, gehe aber in einem viel entscheidenderen Fall mit Schlamperei, Wurstigkeit oder gar Absicht vor. Der damalige Verhandlungsbeauftragte, Kardinal Dario Castrillon Hoyos, sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, er habe – wenige Tage vor seiner altershalber zwingenden Pensionierung – den Papst eines vorschnellen Friedensschlusses wegen über den Tisch gezogen.

Fachtheologen indes kritisieren bis heute, der Papst, der das „Bemühen um die Einheit der Kirche“ als Motiv für seinen Gnadenakt angibt, befreie eine Gruppe vom Gehorsam gegenüber beträchtlichen Teilen der katholischen Lehre. Professor Peter Hünermann, führender deutscher Dogmatiker, spricht von einem „skandalösen Amtsfehler im theologischen Sinne“.

Benedikt XVI. reagierte doppelt auf die Kritik: Im März schrieb er – für einen Papst sehr ungewöhnlich – eine Art „Schmollbrief“ an die Bischöfe der Welt, worin er „für mich nicht vorhersehbare Pannen“ einräumte, gleichzeitig aber „auch Katholiken, die es besser hätten wissen müssen“ für ihre „sprungbereite Feindseligkeit“ tadelte. Zweitens unterstellte er „Ecclesia Dei“, jene für die Verhandlungen mit den Traditionalisten zuständige Kommission, die jahrelang ein kaum kontrolliertes Eigenleben geführt hatte, der Glaubensbehörde. Benedikt stellte klar, die Bischöfe der Piusbruderschaft, auch wenn sie von der Exkommunikation befreit seien, übten „kein rechtmäßiges Amt“ aus.

Die Traditionalisten reagierten auf ihre Weise: Sie weihten Priester, obwohl der Vatikan das als „unrechtmäßig“ bezeichnet hatte.

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