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Dialog: Kirchentag durch Kulturpreis belastet

Muslime, Juden und Protestanten versuchen sich auf dem Kirchentag am Dialog. doch Missverständnisse und das Debakel um den Hessischen Kulturpreis belasten das Gespräch der Religionen.

Am Samstagmittag steht es für den interreligiösen Dialog auf dem Bremer Messegelände 2:1. In Halle 5 sollen sich die Kirchentagsbesucher entscheiden, ob sie für oder gegen den Bau von Moscheen in Deutschland sind. Wer dafür ist, wirft einen Ball in einen blauen Korb, wer dagegen ist, wirft in den roten Korb. Ein Drittel ist dagegen. „Die Muslime sollen bleiben, wo sie sind“, sagt ein junges Paar, „in der Türkei haben Christen ja auch keine Rechte“. Der evangelische Pfarrer Theo Wettach findet das Ergebnis nicht sehr ermutigend. Es zeige, wie tief Ängste und Abneigung gehen, selbst bei den gut situierten, gebildeten Kirchentagsgästen. Pfarrer Wettach hat sich die Sache mit den Bällen ausgedacht, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Er glaubt fest an den interreligiösen Dialog. Die islamische Schura Bremen ist sehr skeptisch geworden. Der Zusammenschluss der Bremer Muslime hat die Teilnahme am Kirchentag abgesagt, aus Protest gegen die Handreichung „Klarheit und gute Nachbarschaft“, die die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 2006 veröffentlicht hat. Viele Muslime empfanden Aussagen darin als diffamierend.

Auch das Debakel um die Vergabe des Hessischen Kulturpreises belastet das Gespräch der Religionen. Das Land Hessen wollte den Preis dieses Jahr an Vertreter der drei abrahamischen Religionen verleihen, an Christen, Juden und Muslime. Doch der katholische Kardinal Karl Lehmann und der Präsident der evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck, Peter Steinacker, lehnten den Preis ab, weil der muslimische Preiskandidat Navid Kermani die christliche Kreuzestheologie als „Gotteslästerung“ bezeichnet hatte. Daraufhin wurde Kermani durch die Preisjury wieder ausgeladen. Als eine Kabarettistin am Samstag in die Menge ruft: „Die hessischen Kirchenfürsten spinnen doch“, erhält sie lauten Applaus von mehreren tausend Kirchentagsgästen.

„Der Dialog mit den Muslimen zeigt, dass wir sehr gut gemeinsam über wichtige Zukunftsthemen sprechen können, etwa über Bildung, Weltwirtschaft oder die Bewahrung der Schöpfung“, sagt Ellen Überschär, die Generalsekretärin des Kirchentages. Mehr ist aber nicht drin, wie das erste christlich-jüdisch-islamische Gespräch auf einem Kirchentag zeigt. Die islamische Theologin Halina Krausen, der jüdische Religionsphilosoph Micha Brumlik und der evangelische Theologe Christoph Schwöbel diskutieren die Frage „Sitzen wir alle im gleichen Boot?“. Der Trialog kommt nur langsam in Fahrt, die Verletzungen sind groß. Man kann sich zwar auf ethische Grundsätze einigen, aber sobald es um den Wahrheitsanspruch jeder Religion geht, hört die Verständigung auf. Der Islam müsse kritischer mit seinen Quellentexten umgehen, fordert etwa Micha Brumlik. Zum Dialog gehöre, dass man erstmal Vokabeln lerne und sensibel werde für die Sprache der anderen, entgegnet Halina Krausen. „Abraham hat uns ein unglaublich kompliziertes Erbe hinterlassen“, hatte morgens Filmregisseur Wim Wenders bei seiner Bibelarbeit gesagt. Er gehe davon aus, dass Gott „Christen, Juden und Muslime“ gleichermaßen ansehe und sein Gesetz allen „ins Herz geschrieben habe“. Jeder müsse nur auf die Stimme seines Gewissens hören.

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