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Kirchliche Arbeitgeber: "Die beschlossene Beitragserhöhung zur Pflege reicht nicht“

Diakonie-Präsident Kottnik ist für mehr Geld in der Pflege - aber gegen Mindestlöhne für seine Mitarbeiter. Zudem kritisiert er die Prüfberichte der Kassen.

Warum wehren sich ausgerechnet die kirchlichen Arbeitgeber gegen Mindestlöhne in der Pflege?

Das hat einen einfachen Grund: Die kirchlichen Tarife, die auch in der Diakonie gelten, liegen höher als der geforderte gesetzliche Mindestlohn. Das eigentliche Problem – und deshalb halte ich die Diskussion auch für ein Ablenkmanöver – liegt darin, dass die Kostenträger nicht mehr bereit sind, in ihren Pflegesätzen die gültigen Tarifverträge zu berücksichtigen.

Was sicher auch manche Einrichtung in Schwierigkeiten bringt. Wollen Sie deshalb keine starren Vorgaben?

Die überwiegende Mehrzahl der Einrichtungen der Diakonie wendet den Tarif an – auch auf die Gefahr hin, dass sie ins Defizit geraten. Es gibt aber kleinere Einrichtungen, die das nicht mehr können. Die Gefahr, dass der Tarif angewendet, aber nicht refinanziert wird und die Einrichtungen dann kaputtgehen, ist gegeben.

Aber selbst wenn die Kirchen in den meisten Fällen ordentlich zahlen: Mit der Absage an Mindestlöhne lassen sie auch diejenigen im Stich, die etwa bei privaten Anbietern zu wesentlich schlechteren Bedingungen beschäftigt sind …

Diese Anbieter werden ihre Niedriglöhne so oder so nicht mehr lange aufrechterhalten können. Viele finden deshalb ja schon jetzt nicht mehr genügend qualifizierte Mitarbeiter.

Stünde es den Kirchen nicht trotzdem gut an, sich gemeinsam mit anderen Anbietern gegen Dumpinglöhne starkzumachen?

Zurzeit gibt es für die Pflege gar keinen allgemeingültigen Tarifvertrag, der für das Entsendegesetz zugrunde gelegt werden könnte. Auch in den Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie und der Caritas gibt es keinen Spartentarif für die Pflege. Das ist alles in die allgemeinen Tarifstrukturen eingearbeitet und kann nicht ohne weiteres herausgelöst werden.

Sozialpolitiker sagen, dass diese Haltung die Kirchen unglaubwürdig macht ...

Die Kirchen treten dafür ein, dass gute Arbeit ordentlich vergütet wird – und sie setzen das auch um. Wir versuchen ja, die Zahlung von Tariflöhnen selbst in Einrichtungen aufrechtzuerhalten, die dadurch vorübergehend ins Defizit geraten.

Haben die kirchlichen Arbeitgeber ein Problem zwischen ethischem Anspruch und wirtschaftlichem Wettbewerbsdruck?

Gute Wirtschaftlichkeit ist die Grundlage, um gute Arbeit machen zu können. Es handelt sich also um keinen Gegensatz. Wenn eine Einrichtung in die Lage gerät, Mitarbeitende nicht mehr adäquat bezahlen zu können, stellt sich natürlich die Frage, ob es noch verantwortbar ist, die Arbeit fortzuführen. Andererseits sind die Erwartungen an uns besonders hoch, und wir können uns nicht einfach aus der Arbeit zurückziehen. Deshalb bleibt kein anderer Weg, als immer wieder deutlich zu machen: Wir brauchen eine adäquatere Finanzierung. Wenn wir gutes Personal haben wollen, müssen wir es auch entsprechend bezahlen. Dieses Problem erledigt sich auch nicht durch Mindestlöhne.

Sie sind für höhere Beiträge?

Ich bin einer der wenigen, die immer gesagt haben: Die jetzt beschlossene Beitragserhöhung zur Pflege reicht nicht aus.

Auch bei der Qualität Ihrer Einrichtungen wollen Sie sich nicht reinreden lassen …

Wir haben ein Qualitätshandbuch entwickelt mit sehr hohem Standard. Im Rheinland zum Beispiel richten sich fast 80 Prozent unserer Pflegeeinrichtungen für ältere Bewohner danach. Ich trete auch dafür ein, dass unsere Einrichtungen durch unabhängige Institute zertifiziert werden. Allerdings haben wir uns dagegen gewandt, dass die Prüfberichte des medizinischen Dienstes der Krankenkassen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden – weil sie nämlich überhaupt nicht aussagefähig sind hinsichtlich der tatsächlichen Qualität von Einrichtungen.

Wie das?

Überprüft wird die Struktur-, nicht die Ergebnisqualität. Es wird nicht gefragt, wie die Atmosphäre ist, wie mit den alten Menschen umgegangen wird, ob sie zufrieden sind. In den MDK-Berichten geht es nur um äußere Fakten, ohne die Eigenheiten der jeweiligen Personen zu berücksichtigen – etwa wie viel die Bewohner zu trinken erhalten. Das ist zu wenig. Wir stellen uns nicht gegen Kontrolle und Qualitätsvergleich. Aber die Kriterien dafür müssen zumindest nachgearbeitet werden.

Die Fragen stellte Rainer Woratschka.







Klaus Dieter Kottnik
ist Präsident

des Diakonischen

Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

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