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Politik: Klima gestört

Die EU will die Erdatmosphäre stärker schützen – doch allzu viele Länder fordern für sich Ausnahmen

Luxemburg - Der Zeitdruck ist enorm – und die Widerstände auch. Bis Dezember will die Europäische Union ihr milliardenschweres Klimaschutzpaket ausgehandelt haben. Nicht nur, weil die internationale Staatengemeinschaft dann im polnischen Poznan (Posen) wichtige Weichen auf dem Weg zu einem neuen Weltklimaabkommen stellt. Mit ambitionierten Klimazielen will Europa bedeutende Luftverschmutzer wie China und die USA ins Boot holen.

Am Montag läuteten die Umweltminister der 27 EU-Staaten in Luxemburg den Endspurt ein im gut zweijährigen Verhandlungsmarathon für das EU-Klimapaket. Die Wunschlisten der einzelnen EU-Staaten sind lang. Während die einen vor einer Abwanderung ganzer Branchen angesichts zu hoher Kosten warnen, machen Mittel- und Osteuropäer wirtschaftlichen Aufholbedarf geltend. Polen beispielsweise pochte weiterhin auf eine Lösung seines Problems, dass es mehr als 90 Prozent seines Stroms aus – CO2-intensiver – Kohle beziehe. Deutschland wiederum fordert Ausnahmen für große Energieverbraucher wie die Stahlbranche. Italien fordert, im Dezember auch über Klimaauflagen für die Autoindustrie zu entscheiden, und droht mit einem Veto.

„Wir können uns eine Verschiebung nicht leisten“, mahnt Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD). „Wenn wir das nicht schaffen, dann bekämen die Skeptiker Oberwasser und der internationale Klimaprozess würde dramatisch geschädigt.“ Geht es nach Berlin und Paris, darf es soweit nicht kommen. Die Finanzkrise, auf die Polen und Italien unter anderem verweisen, nennt Gabriel „eine Ausrede“. Mit viel gegenseitigem Schulterklopfen hatten Europas Staatenlenker unter der Verhandlungsführung der damaligen EU-Ratschefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, im März 2007 die ambitionierten Klimaziele beschlossen. Bis 2020 soll die Gemeinschaft ihren Treibhausgas- Ausstoß um ein Fünftel senken. 90 Milliarden Euro, rechnet EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor, kosten die nötigen Maßnahmen. Tue Europa aber nichts, lägen die Kosten durch Dürre, Überschwemmungen oder auch hohen Energiepreisen viel höher.

Auch Naturschutzorganisationen wie der WWF mahnen die EU-Politiker zu Beharrlichkeit und Eile. Der Klimawandel komme schneller und mit drastischeren Folgen für Mensch und Tier als bisher prognostiziert, heißt es in einem aktuellen Report des World Wide Fund for Nature (WWF). So könne der Meeresspiegel statt der bisher geschätzten maximal 60 Zentimeter um mehr als 120 Zentimeter steigen.

Doch auch das Europaparlament muss dem Klimapaket zustimmen. Die außergewöhnliche Eile, mit dem das Gesetzeswerk durch die sonst langsam mahlenden EU-Mühlen gedrückt wird, verärgert die Volksvertreter. Das Parlamentsplenum soll erst Anfang Dezember abstimmen – und dann das bis dahin ausgehandelte Klimapaket gleich in erster Lesung verabschieden. Ein Nein des Europaparlaments und damit das Stigma des globalen Klimabremsers ist aber unwahrscheinlich. Dorothée Junkers/dpa (mit AFP)

Dorothée Junkers, dpa

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