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Politik: „Klimapolitik ist die Friedenspolitik der Zukunft“

Klaus Töpfer, Chef des UN-Umweltprogramms, über wachsenden Energiebedarf und die Kritik der USA am Kyoto-Protokoll

Mit der Unterschrift von Präsident Wladimir Putin hat Russland das Klimaschutzabkommen von Kyoto ratifiziert. Nun kann es in Kraft treten. Wie geht die globale Klimadiskussion weiter?

Die Ratifizierung des KyotoProtokolls durch Russland hat eine spürbare Dynamik in den Klimaprozess gebracht. Außerdem überzeugt ein Ölpreis von mehr als 50 Dollar pro Barrel (159 Liter) selbst Skeptiker von der Notwendigkeit zu Veränderungen, auch wenn er nicht dauerhaft so hoch bleibt. Der Energiebedarf in schnell wachsenden Volkswirtschaften wie etwa China steigt rasant. Das bringt Dynamik. Die Notwendigkeit, Energie effizienter zu nutzen, wird immer deutlicher. Wenn nicht gehandelt wird, werden die Energiepreise weiter steigen, allein weil die Nachfrage zunimmt.

US-Präsident George W. Bush ist gegen das Kyoto-Protokoll.

Die USA sind der größte Energieverbraucher. Was ich zu den Preisen gesagt habe, gilt ganz besonders für die USA. Sie sind ein technologisch führendes Land und sind gefordert, die Energieeffizienz voranzubringen und auch neue Technologien, wie etwa die Wasserstofftechnik. Die Energieversorgung wird – auch in den USA – schon aus Eigeninteresse weniger kohlenstoffhaltig werden. Wir brauchen so etwas wie eine Energierevolution, wie wir einmal eine industrielle Revolution hatten. Wenn wir in eine solche neue Energiestruktur investieren, bieten sich gerade jungen Menschen Möglichkeiten, etwas zu unternehmen. Das sind Geschäftschancen. Da werden amerikanische Unternehmer nicht dauerhaft außen vor bleiben.

Das Kyoto-Protokoll ist für das Weltklima von eher geringer Bedeutung, weil die Emissionen von Treibhausgasen bis 2012 kaum sinken. Was muss noch geschehen?

Der britische Premier Tony Blair und der schwedische Ministerpräsident Göran Persson haben sich festgelegt, die Treibhausgasemissionen ihrer Länder bis 2050 um 60 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Deutschland diskutiert über ein vergleichbares Ziel: Bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken, wenn sich die EU insgesamt dazu verpflichtet, die Emissionen um 30 Prozent zu reduzieren. Wenn sich die Staaten auf solche Ziele festlegen, ist das nicht mehr mit marginalen Mitteln zu erreichen. Das ist ein Modernisierungsprogramm für die Wirtschaft. Ich bin überzeugt, dass wir den langen Sprung machen können, den wir machen müssen.

Wie soll das erreicht werden?

Dazu gehört „saubere Kohle“, bei der die eingesetzte Energie effizient genutzt und dann der Versuch gemacht wird, das Kohlendioxid aufzufangen in Kohlenstoff-Senken. Aber auch die Lagerung tief in der Erde wird erforscht. Ebenso wichtig sind neue Energieträger wie die Sonne, Wind- oder Wellenkraft. Außerdem brauchen wir einen Effizienzsprung vor allem für die Mobilität. Wir werden große Veränderungen bei Autos erleben. In China bin ich mit einem wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenauto herumgefahren. Die chinesischen Ingenieure haben einen VW mit einer völlig eigenen Technik umgebaut. Zu den Olympischen Spielen in Peking will China davon eine ganze Flotte zur Verfügung haben.

Welche Rolle spielt die Atomenergie?

In China, Iran, Südafrika oder Brasilien wird die Technologie erforscht und ist als Energiequelle verfügbar – um nur einige zu nennen. Dazu gehört auch die Fusionsforschung. Wir müssen diese Forschungsnotwendigkeiten sehen.

Aber geht es dabei nicht eher um ein neues Selbstbewusstsein von Entwicklungsländern und letztlich die Bombe?

Wir sollten alles daran setzen, neue Kraftwerkstypen zu entwickeln. Mit Hochtemperaturreaktoren beispielsweise stellt sich die Frage der Anreicherung völlig anders. Es müssen Möglichkeiten erforscht werden, die Risiken aus der Technik heraus zu verringern, ja ganz zu vermeiden.

Ist das auch eine Aufgabe für das UN-Umweltprogramm?

Das gehört nicht zu unseren Prioritäten. Wir wollen die dezentralen Technologien, also leicht verfügbare, erneuerbare Energien ausbauen und so Menschen überhaupt erst Zugang zu Strom verschaffen. Klimapolitik ist die Friedenspolitik der Zukunft. Wenn wir nicht verhindern können, dass die armen Länder um ihre Entwicklungschancen gebracht werden, weil die Industriestaaten ihre Emissionen nicht in den Griff bekommen, können wir keine friedliche Entwicklung erwarten. Denn niemand bezahlt gerne die Zeche, die ein anderer hinterlassen hat.

Das Interview führte Dagmar Dehmer.

Klaus Töpfer (67) ist seit 1998 Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) mit Sitz in Nairobi. Der CDU-Politiker war zuvor in Bonn Umwelt- und Bauminister.

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