zum Hauptinhalt

Klimawandel: Sonnenschirm im All

In der kenianischen Hauptstadt Nairobi hat die zwölfte internationale Klimakonferenz begonnen. Die mangelnden Fortschritte des Klimaschutzes lenken das Interesse auf bizarre wissenschaftliche Ideen.

Paris - Not macht erfinderisch: Angesichts mangelnder Fortschritte bei den internationalen Verhandlungen zum Klimaschutz werden einst als abstrus verworfene Ideen einfallsreicher Wissenschaftler zusehends ernst genommen. Ein gigantisches Sonnensegel im All, Schwefelstaub in der Atmosphäre oder das Versenken von Kohlendioxid in den Tiefen des Meeres scheinen gegenwärtig mehr Erfolg zu versprechen als das Kyoto-Protokoll, dem der größte Klimasünder USA nicht angehört und das mit China den zweitgrößten Luftverschmutzer des Planeten von seinen Vorschriften ausnimmt. Die Entwürfe der Wissenschaftler "sind Teil der Debatte geworden, auch wenn es weiter große Vorbehalte gibt", sagt der französische Klimaforscher Jean Jouzel.

Sonnenschirme im All

Eine dieser Ideen ist die Einrichtung riesiger "Sonnenschirme" im All. Ihr Erfinder, der Optikprofessor Roger Angel von der Universität Arizona, hält sechs riesige Spiegel im All, die einen Teil der Sonnenstrahlung reflektieren und so von der Erde fernhalten, für eine mögliche Lösung des Problems der Erwärmung. Eine Art Spinnennetz aus riesigen Streben würde sechs schwenkbare Spiegel vor die Sonne halten und so die zur Erde gelangende Sonnenenergie um zwei Prozent reduzieren. Das Netz würde sich über 2000 Kilometer ausdehnen und an einem Punkt installiert sein, der 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist.

Wem dieser Vorschlag bizarr und unrealistisch erscheint, der wird sich über die US-Raumfahrtbehörde Nasa wundern: Sie forderte Angel im Oktober auf, einen detaillierten Plan seines Projektes aufzustellen. Die Kosten der Anlage schätzt der Wissenschafter auf drei Billionen Dollar (2,35 Billionen Euro). Das entspricht zwei Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes. Die Kosten der Aufheizung der Erdatmosphäre und der daraus folgenden Naturkatastrophen könnten der Studie eines Schweizer Versicherungskonzerns zufolge bis 2050 ohnehin 300 Milliarden Dollar (235 Milliarden Euro) jährlich betragen.

Klimafreundliches Luftverschmutzen

Einfacher in der Umsetzung scheint dagegen der Einfall des niederländischen Chemie-Nobelpreisträgers Paul Crutzen, der sich in seiner Arbeit intensiv mit dem Ozonloch befasst. Crutzen schlägt vor, in der äußeren Erdatmosphäre Teilchen von Schwefeldioxid auszustreuen, die ebenfalls Sonnenlicht und damit Wärme ins All reflektieren. Die Partikel würden nach einigen Jahren wie Staub auf die Erde fallen - doch solange sie von stratosphärischen Winden getragen werden, könnten sie die Atmosphäre erheblich abkühlen. Die Idee für den Schwefelstaub kam Crutzen nach dem Ausbruch des Vulkans Mount Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991 - dabei wurde soviel Asche in die Atmosphäre gestoßen, dass die Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche zwei Jahre lang um bis zu einem halben Grad Celsius sank. Der Plan hat allerdings einen Haken: Das "Pinatubo-Phänomen" sei noch wenig erforscht, warnt der französische Wissenschaftler Edouard Bard vom College de France in Paris. Die Temperatur sei im Schnitt zwar gefallen, doch habe es regional dramatische Unterschiede gegeben: Im Nordwest-Atlantik seien die Temperaturen stark gesunken, in Nahost und Nordafrika habe es dagegen eine lange Wärmeperiode gegeben.

Kohlendioxid in die Meere pumpen

Solche regionalen Schwankungen könnten Bard zufolge schwerwiegende Folgen für Tiere und Pflanzen in diesen Gebieten haben. Eine davon könnte ein beschleunigtes Wachstum von Algen sein, die dann ganze Korallenriffe ersticken könnten.

Ebenfalls risikoreich ist ein Projekt, das die Treibhausgase durch Plankton in die Tiefe der Meere saugen will. Problematisch ist an dieser Idee vor allem, dass gerade die Ozeane mit ihren unergründlichen Tiefen, unerklärten Strömungen und unerforschten Lebensformen für die Menschheit weiterhin eines der größten Rätsel bleiben. Niemand ist sicher, dass das Plankton tatsächlich auf den Meeresgrund absinkt und das CO2 dort für immer einschließt. Das gefährliche Gas könnte ebenso gut wieder abgegeben werden und den Chemie-Haushalt ganzer Meere zerstören. (Von Richard Ingham, AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false