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Knapper Wohnraum: Kabuls Bürgermeister braucht Hilfe

Der Bürgermeister der afghanischen Hauptstadt wirbt in Deutschland um Hilfe. Bezahlbarer Wohnraum ist knapp.

Berlin - Im Norden wie im Süden des Landes liefern sich Patrouillen der internationalen Schutztruppe Isaf und Taliban-Kämpfer fast täglich Gefechte. Dennoch soll sich die Sicherheitslage zumindest in der afghanischen Hauptstadt erheblich verbessert haben, sagt Mohammad Younus Nawandish, Kabuls amtierender Bürgermeister. „Nein, in Afghanistan wird kein Krieg geführt.“ Der Kampf gegen den Terrorismus sei notwendig, denn er bedrohe alle Staaten. Dann fügt er hinzu: „Kabul ist eine sichere Stadt.“

Nawandish trägt Schnauzbart, er stammt ursprünglich aus dem Norden und lebt seit 33 Jahren in Kabul. Der studierte Ingenieur ist ein Gefolgsmann von Präsident Hamid Karsai, war stellvertretender Energieminister und wurde Anfang des Jahres von ihm zum Oberhaupt der afghanischen Hauptstadt berufen. Vor ihm versuchten seit 2002 bereits sechs Politiker den Wiederaufbau der geschundenen Metropole zu lenken. Immer wieder wurden sie wegen Korruptionsvorwürfen ihres Amtes enthoben. Nawandish zeigt sich trotzdem optimistisch, einen guten Job machen zu können. Er will, wie er sagt, „das Gesicht der Stadt positiv verändern“.

Und er hat alle Hände voll zu tun. Kabul platzt aus allen Nähten. Sprunghaft ist die in 1800 Metern Höhe gelegene Hauptstadt mit ihren Hügeln und Tälern innerhalb der vergangenen acht Jahre von einer auf fünf Millionen Einwohner angewachsen. Ehemalige Kabuler kommen aus dem Exil zurück, andere Afghanen zieht es vom unsicheren Land in die Hauptstadt. Die Bevölkerungsexplosion aber bleibt nicht ohne Folgen: Müll überflutet die Straßen, bezahlbarer Wohnraum fehlt, Arbeitslosigkeit und Armut grassieren.

Dieser Entwicklung vom Kabuler Rathaus aus gegenzusteuern, ist ein Abenteuer. Das liegt nach Ansicht des Bürgermeisters vor allem an dem schmalen Haushalt seiner Verwaltung. Bislang muss Nawandish mit einem jährlichen Budget von etwa 22 Millionen Euro auskommen. Zum Vergleich: Der Berliner Senat gibt 2010 etwa 22 Milliarden Euro aus. Zusätzlich erhält Kabuls Verwaltung von Weltbank, Asiatischer Entwicklungsbank und einzelnen Staaten Gelder für Projekte.

Gerade der Wohnungsbau verursacht dem Bürgermeister Kopfzerbrechen. Die wenigsten Zugezogenen finden einen Unterschlupf bei Familienangehörigen. Auch seien die Mieten für Wohnungen explodiert. So koste eine 70-Quadratmeter-Wohnung bis zu 400 Euro im Monat – ein Preis, den nicht viele bezahlen können. Deshalb bauten die Menschen zunehmend illegal ihre Häuser – ohne Baugenehmigung, ohne Wasser- und Stromanschluss. Meist wuchern die Eigenbauten am Rande der Stadt oder halsbrecherisch an den Hängen der Hügel mitten in den Stadtvierteln. Insgesamt machen diese unsicheren Konstruktionen 70 Prozent aller Gebäude aus, so Nawandish. Nur 30 Prozent der Bevölkerung verfügten über einen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Es geht Nawandish nicht nur um den Wiederaufbau, sondern um wirtschaftliche Entwicklung. Immerhin braucht Kabul nach vagen Schätzungen des Bürgermeisters noch einige Milliarden Euro Investitionen in die Infrastruktur, um als Stadt funktionieren zu können. Bislang seien aber wenig private Geldgeber gefunden worden, weil die Stadtverwaltung einfach nicht in der Lage gewesen sei, die Investoren direkt anzusprechen, gibt Nawandish zu. Das soll sich nun ändern. Auf seinem dreitägigen Berlinbesuch diese Woche rührt er deshalb die Werbetrommel: „Ich bin sicher, die Deutschen werden zunehmend in Kabul investieren.“

Ob damit auch mehr Entwicklungshilfe als bisher gemeint sein könnte, bleibt fraglich. Nach der Geberkonferenz in Kabul im Juli 2010 scheint diplomatische Zurückhaltung eine neue Devise in Berlin zu sein. „Na ja“, sagt ein hochrangiger Mitarbeiter im zuständigen Bundesministerium, „jetzt müssen die Afghanen erst mal ihre Hausaufgaben machen.“ Und damit ist vor allem die Korruptionsbekämpfung und die Ausbildung der eigenen Sicherheitskräfte gemeint.

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