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"Koalition der Willigen": Engste Freunde nehmen Abschied

Dänemark und England kündigen ihren Rückzug an, Italien und Spanien sind schon längst weg: Immer mehr einstige Getreue der USA verlassen den Irak. Doch die Regierung Bush versucht selbst das als Erfolg zu verkaufen.

Washington - Es wird einsam um US-Präsident George W. Bush. Das Parlament in Washington hat seiner Irak-Politik die Gefolgschaft aufgekündigt, in der Öffentlichkeit findet der Einsatz kaum noch Unterstützung, und nun gehen auch noch die engsten Verbündeten im Ausland auf Distanz. Die britische Regierung will die Zahl ihrer Truppen noch in diesem Jahr deutlich verringern, und Dänemark holt seine Soldaten im Sommer komplett nach Hause. Die Nachrichten aus Europa haben Bush zu einem schlechten Zeitpunkt erreicht: Seit Wochen versucht er einer skeptischen Öffentlichkeit zu erklären, warum er die Truppen im Irak aufstocken will. Dass die besten Freunde ausgerechnet jetzt ihre Truppen abziehen, wird die kritischen Fragen in den USA lauter werden lassen.

Am Mittwoch war in Washington die große Stunde der "Spin-Doktoren" - der schnellen Eingreiftruppe der Presse-Abteilung des Weißen Hauses. "Spin-Doktoren" sollen negative Nachrichten so auslegen und umdeuten, dass sie letztlich doch ein günstiges Licht auf das Weiße Haus und seinen Bewohner werfen. Den Anfang der PR-Großaktion machte noch in der Nacht Präsidentensprecher Gordon Johndroe, der die Londoner Abzugsentscheidung als "Zeichen des Erfolgs" wertete. Im Vorgehen der Briten sah er eine Ermunterung für die USA: Die Briten könnten heimkehren, weil sie den Süd-Irak weitgehend befriedet hätten und die Verantwortung an die Iraker übertragen könnten. Dies zeige, "was auch für uns möglich ist".

Cheney: Dinge "laufen ziemlich gut"

Vize-Präsident Dick Cheney folgte der Sprachregelung und wertete den britischen Rückzug als Signal dafür, "dass die Dinge in Teilen des Irak ziemlich gut laufen". In seinem Optimismus hinsichtlich der Lage im Irak lässt sich Cheney derzeit ohnehin von niemandem in Washington übertreffen. Dies macht ihn in den USA zur beliebten Zielscheibe von Spöttern, die ihm eine fortgeschrittene Stufe von Realitätsverlust bescheinigen. Ein Vorbild für die USA sieht Cheney in Blairs Entscheidung freilich nicht. "Wir wollen die Mission vollenden, und wir wollen es richtig machen, und wir wollen ehrenvoll zurückkehren", sagte er bei einem Besuch auf dem Flugzeugträger USS Kitty Hawk vor der japanischen Küste.

Der britische Rückzug ist für die USA umso bedeutender, als das Königreich von Anfang an der wichtigste Verbündete im Irak-Krieg war. Für die Invasion 2003 stellte Großbritannien 46.000 Soldaten, zuletzt waren noch etwa 7100 Briten im vergleichsweise ruhigen Süden des Iraks stationiert. Damit rangierte das Land immer noch mit deutlichem Abstand zu allen anderen Verbündeten auf Platz zwei der Liste der Truppensteller. Blair wusste um die Symbolkraft seiner Entscheidung: Er teilte sie Bush am Dienstag in einem Telefonat persönlich mit. Dem Briten dürfte es dabei vor allem ums eigene Vermächtnis gehen. Blair will in diesem Jahr abtreten, und der im eigenen Land seit jeher unbeliebte Irak-Einsatz wirft einen dunklen Schatten auf seine ansonsten beachtliche Bilanz.

"Koalition der Willigen" bröckelt

Bush hat noch zwei Jahre Zeit, vor dem Ausscheiden aus dem Weißen Haus an seinem Vermächtnis zu arbeiten. Einfach wird das nicht. Mit den Entscheidungen aus London und Kopenhagen sieht seine "Koalition der Willigen" schwächer aus als je zuvor. Vor dem Irak-Krieg hatte er das Bündnis zusammengeschmiedet, um die Invasion nicht als Alleingang der USA erscheinen zu lassen. Doch die Allianz bröselt seit langem. Wichtige Bündnispartner wie Italien und Spanien sind bereits ganz ausgeschieden. Dänemark will seine 460 Soldaten im Sommer heimholen. Blair will das britische Kontingent bis Jahresende von 7100 auf möglicherweise unter 5000 verringern; über das Jahr 2008 hinaus trifft er keine Aussage. Die Briten sollen dann nur im Irak bleiben, wenn es nötig ist.

Als einer der letzten Getreuen der USA steht der konservative australische Premierminister John Howard da. Er will seine 1400 Soldaten im Irak belassen, um dort die "kritische Masse aufrecht zu erhalten". Auch zwölf Soldaten aus Moldawien, 150 aus Aserbaidschan, 100 aus der Mongolei sowie weitere kleinere Kontingente aus Drittstaaten werden den mehr als 140.000 US-Soldaten zur Hand gehen. "Die Koalition ist intakt", beteuerte Außenministerin Condoleezza Rice bei ihrem Besuch in Berlin. (tso/AFP)

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