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Koalitionsdebatte: Machtworte für den Moment

CDU und SPD würden die Debatten über Koalitionen gern unterbinden. Ganz offiziell sagt keiner der Parteioberen mehr etwas dazu. Hintergründig wissen Merkel und SPD-Chef Beck, dass sich die Diskussionen nicht per Order untersagen lassen.

Berlin - Angela Merkel stutzt über sich selbst. Gerade hat die CDU-Chefin die Grünen ein bisschen gelobt – in etlichen Fragen, etwa der Wirtschaftspolitik, sei die Ökopartei heute der CDU „sehr viel näher als vor 20, 30 Jahren“ –, da befällt die CDU-Chefin ein kleiner historischer Zweifel. 30 Jahre? „Gab’s die da schon?“, fragt Merkel halblaut vor sich hin. Die Zuhörer im Konrad-Adenauer-Haus kichern: Doch noch nicht sattelfest in Westgeschichte, die Frau Bundeskanzlerin? Jedenfalls mit der Historie der Grünen hat sie sich in letzter Zeit nicht derart intensiv beschäftigt, dass ihr das Gründungsdatum 1980 präsent wäre.

Insofern passt der Stolperer sogar ganz gut zu Merkels montäglicher Botschaft: Über Schwarz-Grün mögen andere spekulieren – die Kanzlerin tut es ausdrücklich nicht. Bei den Landtagswahlen 2008 und der Bundestagswahl 2009 werde die CDU erst einmal um eigene Mehrheiten kämpfen. Reichten die nicht, komme „im Zweifelsfall“ die FDP als Partner infrage, mit denen die inhaltliche Überlappung größer sei als mit den Grünen. „Andere Optionen spielen keine Rolle“, sagt Merkel. Sicher habe sie gelesen, was ihr Innenminister Wolfgang Schäuble im Zeitungsinterview Nettes über die Grünen gesagt hat. Trotzdem: Ende der Debatte.

Ein paar Kilometer weiter östlich kann man fast zur gleichen Zeit erleben, wie die Führung der anderen großen Volkspartei ebenfalls versucht, sich eine Koalitionsdebatte vom Hals zu halten. Im SPD-Präsidium ist über die Avancen von Berlins Regierendem Klaus Wowereit an die Linkspartei, die deutlich im Kontrast zur offiziellen Haltung von SPD-Chef Kurt Beck stehen, gar nicht erst gesprochen worden. Sogar Wowereit selbst hat kein Wort zu der Debatte gesagt, die er selbst am Wochenende beim SPD-Landesparteitag befeuert hatte; er hat sich zu Polen zu Wort gemeldet, zur Linken und zu Koalitionen nicht. „Wir werden uns mit der neuen Partei politisch auseinandersetzen“, sagt Generalsekretär Hubertus Heil anschließend. Partner sei die Linke nicht. Also auch hier: Ende der Debatte.

So viel zum Vordergründigen. Hintergründig wissen natürlich Merkel wie Heil und sein Chef Beck, dass sich die Diskussionen nicht per Order untersagen lassen. Aber beide Parteichefs haben ein denkbar geringes Interesse daran, Grüne respektive Linke durch Bündnisspekulationen aufzuwerten. In der SPD will das übrigens nicht einmal der linke Parteiflügel.

Zwar hat Merkel selbst nach der Wahl 2005 sehr ernsthaft mit den Grünen über einen Jamaika-Dreibund zusammen mit der FDP verhandelt. Zwar gesteht auch einer wie Hessens Ministerpräsident Roland Koch den Grünen zu, dass es inzwischen Übereinstimmungen gebe – wenn auch nicht genug für ein Bündnis jetzt und hier. Zwar hat die CDU-Spitze gerade ein Programm verabschiedet, in dem Neuerungen – etwa in der Familienpolitik – durchaus als Bewegung in Richtung liberal-grüner Positionen gelesen werden könnten. Nur: Das alles geschieht ja in erster Linie mit dem Hintergedanken, den Grünen den ein oder anderen Wähler abspenstig zu machen. In den kommenden Wahlkämpfen jedenfalls, das war Konsens im CDU-Präsidium, wolle man nicht diffus in Richtung Grüne blinken. „Das würde nur unsere eigenen Anhänger verwirren“, sagt ein Präsidiumsmitglied. Die bedürfen nach zwei Jahren großkoalitionärer Kompromisse ohnehin einer gewissen Pflege. Merkel intoniert denn auch bei der Vorstellung des Programmentwurfs eher konservative Leibthemen. Dass die Trennung zwischen äußerer und innerer Sicherheit, zwischen Bundeswehr und Polizei, „von gestern“ sei, hört die CDU-Klientel zum Beispiel gern.

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