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Merkel Müntefering

© dpa

Koalitionsgezänk: Hart in der Sache – freundlicher im Ton

Merkel tadelt taktische Fehlentscheidungen der Minister Schäuble und Jung. In der Sache beharrt sie aber weiter auf der Online-Durchsuchung. Die Kanzlerin ist genervt vom Dauerzwist um die Bekämpfung des Terrorismus.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Das Treffen fand so statt, dass es nicht lange unbemerkt bleiben konnte, und das sollte es ja auch nicht. Am Rande der Bundestagssitzung haben sich Angela Merkel, Franz Müntefering und Kurt Beck am Freitag zusammengesetzt. Haupt- und Oberthema: das Klima in der Koalition – oder was davon noch übrig war. Dass Kanzlerin, Vizekanzler und SPD-Chef darüber reden müssten, war schon am Mittwoch beschlossen worden. Spätestens als am Donnerstag eine aktuelle Stunde im Bundestag über Innenminister Wolfgang Schäubles Warnungen vor Atomterrorismus in einen Eklat zwischen den Koalitionspartnern entglitt, war aber klar: Das Treffen duldete keinen Aufschub mehr.

Aufschlussreich genug für das innere Gefüge der Koalition, dass es überhaupt so lange brauchte. Denn der Anlass des Eklats liegt eine Woche zurück. Am vorigen Wochenende hatten die CDU-Minister Schäuble und Franz Josef Jung in Interviews jeder auf seine Weise den Terrorteufel an die Wand gemalt: Schäuble in Gestalt eines Anschlags mit atomar verseuchtem Material, der Verteidigungsminister, indem er über den Abschuss eines entführten Passagierflugzeugs räsonierte. Jung hat das schon öfter getan. Aber der Interview-Doppelschlag ließ bei Sozialdemokraten den Verdacht aufkommen, da solle mit vereinten Kräften ihre Abwehrposition gegen Online- Durchsuchungen und andere Verschärfungen der Sicherheitsgesetze unter Feuer genommen werden. Die Reaktionen fielen empört aus. Müntefering warf Jung gar vor, er habe eine „Demarkationslinie“ überschritten.

Beide Ministerien versichern, die Verschwörungstheorie sei falsch. So oder so gingen die Schüsse nach hinten los. Denn sie trugen Jung wie Schäuble auch im eigenen Lager Ärger ein. Beide hätten „völlig unnötig Angriffsfläche geboten“, zürnt ein Unionsmann, und damit die an sich hohe Zustimmung in der Bevölkerung für den Unionskurs in Sicherheitsfragen gefährdet. Über einen Extremfall wie den Flugzeugabschuss rede man nicht vorher, sondern handele, wenn er nötig werde – eine Sicht, der sich zuletzt dem Vernehmen nach auch Merkel anschloss. Die Kanzlerin sprach im Lauf der Woche mit beiden Ministern. Das blieb nicht ohne Folgen. Am Freitag übernimmt Schäubles Sprecher Stefan Kaller auf einmal die Verantwortung dafür, dass er einen Ministersatz in dem Interview ohne weitere Erläuterung zum Druck freigegeben habe. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, wann ein Atomanschlag geschehe, hatte Schäuble gesagt und weiter: „Es hat keinen Zweck, dass wir uns die verbleibende Zeit auch noch verderben, weil wir uns vorher schon in eine Weltuntergangsstimmung versetzen.“

Er habe den Fehler gemacht, diese Passage in dem Interview stehen zu lassen, sagt Kaller. Der Satz sei gesagt worden – aber nicht so gemeint. Wieso dieses Bekenntnis eine Woche später? Kein Kommentar.

Ein Rückzug in der Sache ist das freilich nicht, nur ein Rückzug von der angreifbaren apokalyptischen Formulierung. Auch Merkel rügt nach dem Gespräch mit Beck und Müntefering bloß taktisches Fehlverhalten: Es müsse „alles vermieden werden, was zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung beitragen könnte“, gibt Vizeregierungssprecher Thomas Steg die Kanzlerin wieder. Das galt beiden Ministern. In der Sache hat Merkel Schäuble aber unterstützt: Sie sei weiter der Überzeugung, dass Online- Durchsuchungen nötig seien.

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