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Konservative: Koch geht. Was bleibt?

Mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch verliert die CDU einen bekennenden Konservativen und wirtschaftspolitische Kompetenz. Wer kann ihn ersetzen?

Von Robert Birnbaum

Als Peter Müller in den Spiegel schaute, hatte der Saarländer ein leicht schwindelerregendes Erlebnis: Der Bursche, der ihn da anstarrte, ist demnächst der dienstälteste Ministerpräsident der Union. Bis Dienstagmittag lag Roland Koch ein paar Monate vor ihm. Doch seit der Hesse seinen Abschied von der Politik erklärt hat, ist nicht nur in der Hierarchie der Senioritäten in der Union einiges in Bewegung geraten. Kochs Ausstieg reißt Lücken im Kompetenzgefüge der Christdemokraten auf. Der Mangel entsteht genau dort, wo die Partei seit langem personell schwächelt. Die Konservativen verlieren einen der letzten, der sich zu diesem Etikett offen bekannte. Der Wirtschaftsflügel verliert einen der wenigen, der nicht als bloßer blässlicher Vertreter von Spezialinteressen wirkt. Und der Verein für deutliche Aussprache verliert den informellen Vorstandschef.

Die Leerstelle am rechtsbürgerlichen Rand ist die auffälligste – und am schwierigsten zu füllen. „Der konservative Flügel ist ja schon flügellos“, sagt ein CDU-Vertreter. Das hat Gründe. Der Ruf ist zwar verbreitet, die CDU müsse ihre konservativen Wurzeln stärken. Aber kein halbwegs Prominenter will selbst in die Lücke springen. Denn er muss fürchten, dass sie für ihn zur Abstellnische wird.

Bezeichnend dafür ist die Reaktion des CSU-Vorsitzenden. „Mit Roland Koch verliert die konservative Grundströmung in der Union einen besonders ausgewiesenen und kompetenten Vertreter“, hat Horst Seehofer beklagt. Bis vor kurzem hätte ein CSU-Chef umstandslos angefügt, dieser Teil der Wählerschaft könne sich aber auf die Bayern weiter fest verlassen. Doch die traditionelle Arbeitsteilung, dass die CSU für die gesamte Union die Flanke nach rechts absichert, gilt nicht mehr. Weder Seehofer in Person noch die CSU als Partei füllen diese Rolle aus. Nach dem Ende ihrer Alleinherrschaft müssen auch die Christsozialen darauf schauen, wo sie neue Wähler finden.

Das Problem kennt der Nachbar im Süden gut. Stefan Mappus hat sich, bevor er Ministerpräsident in Baden-Württemberg wurde, einen soliden Ruf als konservativer Knochen erworben. Seit der 44-Jährige in Stuttgart in der Villa Reitzenstein regiert, ist er aber nicht mehr einschlägig aufgefallen. Am Tag nach Kochs Rückzug will er mit diesem Teil seiner Vergangenheit schon gar nichts zu tun haben. „Er hat gezeigt, dass er kein konservativer Eisenfresser ist“, wirbt der Generalsekretär der Südwest- CDU, Thomas Strobl, für seinen Chef. Wohl aber habe der das Zeug, der neue Mr. Wirtschaft der CDU zu werden: Mappus strahle „wirtschaftliche Kompetenz“ aus und sei dem Mittelstand besonders zugetan. Friedrich Merz sei weg, jetzt Koch – Mappus könne diese Lücke schließen.

So einfach wird das allerdings kaum gehen. Erstens gilt Mappus noch als viel zu unerfahren. „Der muss noch ein bisschen auf die Weide“, spottet ein Christdemokrat. Zweitens können auch andere in der CDU sich vorstellen, in Zukunft mehr als Stimme der wirtschaftlichen Vernunft von sich reden zu machen. Der Niedersachse Christian Wulff zum Beispiel kann darauf verweisen, dass er die schwierige Situation um VW und Porsche erfolgreich mit bereinigt hat. Und drittens war Mappus’ erster bundesweit beachteter Vorstoß in Sachen Atomwirtschaft mehr laut als stark: Dass da ein frischbackener Provinzfürst von der Kanzlerin in barschem Ton den Kopf des Umweltministers verlangte, ging Angela Merkel selbst eingedenk der Tatsache zu weit, dass Mappus ein guter Kumpel von Volker Kauder und Annette Schavan ist. Der Unionsfraktionschef und die Forschungsministerin, Landsleute von Mappus, gelten als enge Vertraute der Kanzlerin.

Diese politische Seilschaft erklärt übrigens zum guten Teil, weshalb Mappus beim Stichwort „CDU-Vizevorsitz“ sofort abwinkte: Schavan soll weiter den Süden in der CDU-Spitze vertreten. Tatsächlich ist das Amt des stellvertretenden Parteichefs eher ein Trost für die zweite Reihe als eine Machtposition. Trotzdem will es besetzt sein. Und Merkel muss mit der Möglichkeit rechnen, dass sie im November beim Parteitag nicht nur Koch ersetzen muss, sondern auch den Vize Jürgen Rüttgers – falls der nicht Ministerpräsident in NRW bleiben kann.

Einen Ersatzmann zu finden, mag noch angehen – der Sachse Stanislaw Tillich kommt infrage, als Ostdeutscher und Chef eines erfolgreichen Bundeslandes. Aber ein zweiter Stellvertreter drängt sich so recht nicht auf. Kein Wunder, dass in der Parteiführung Überlegungen kursieren, die Zahl von vier Vizes wieder zu verringern. Allzu deutlich könnte sonst werden, dass sich nach der Generation der Kohl-Erben noch keine neue Riege ähnlich profilierter Köpfe herausgebildet hat. Zugleich geriete jeder der Jüngeren, die unter Merkel Karriere machen, in eine wenig komfortable Lage: An realem Einfluss bringt ihm der zeremonielle Posten nichts, stattdessen droht das schwierige Image des Kronprinzen von Königin Gnaden.

Kochs Ausscheiden verschiebt ohnehin die Gewichte. Der Hesse war für Merkel selbst als Gegner stets verlässlich. Wenn er im Bundesrat einen Länderaufstand gegen die da in Berlin organisierte, war er auch stets derjenige, der Kompromisse einging und dann den Krawall kassierte. Keiner der anderen Länderfürsten ist ähnlich akzeptiert als Alphatier. Kochs Nachfolger Volker Bouffier ist schon aus Altersgründen eher ein Mann des Übergangs. Anderen fehlen Kochs Lust an Kampf und Krach, das Talent zu scharfer Formulierung und die Überzeugungskraft. Macht und Einfluss in der CDU, vermuten viele in der Partei, werden stärker ausfasern – und sich zugleich stärker konzentrieren auf die Frau an der Spitze. Für Merkel wird es ohne Koch schwieriger. Das gilt auch für ihre Versuche, die CDU weiter für die Moderne zu rüsten. Parteifreunde des Hessen berichten von resignierten Reaktionen aus der Basis: Das darf doch nicht wahr sein, dass der auch noch geht! Koch war für viele in der Union der Garant dafür, dass selbst Veränderungen in Ordnung sind. Oder, kurz gesagt: Mit Kochs Abgang räumt die CDU des Helmut Kohl, im Guten wie im Schlechten, nun endgültig das Feld.

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