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Politik: Koch wehrt sich

Hessens Ministerpräsident bezeichnet Bestechungsvorwürfe der Freien Wähler als „Blödsinn“

Hat Ministerpräsident Roland Koch den Landesverband der „Freien Wähler Hessen“ mit einem unsittlichen Geldangebot von einer Landtagskandidatur abzuhalten versucht? Im Streit über diese Frage ändern die Kontrahenten inzwischen die Tonlage. Der Landesvorsitzende der Freien Wähler, der Rechtsanwalt Thomas Braun, hat inzwischen öffentlich angeboten, seine Vorwürfe vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu beeiden. „Blödsinn“, kontert Koch und erinnert im HR-Fernsehen an die gescheiterten Karrierepläne seines ehemaligen Parteifreunds Braun. Verärgert sei der aus der CDU ausgetreten, weil man nicht ihn, sondern einen auswärtigen Bewerber zum Bürgermeister befördert habe.

So steht nach wie vor Aussage gegen Aussage. Vor diesem Hintergrund gewinnt das einzige handfeste Dokument dieses Streits an Bedeutung: Der Gesetzentwurf „zur Änderung des Hessischen Kommunalwahlgesetzes“, 20 Zeilen Gesetzestext und eine engbeschriebene Seite Begründung. Dieser Entwurf billigt den Freien Wählergruppen in Hessen einen Euro pro Stimme zu. Er stammt aus dem hessischen Innenministerium und ist dort im Jahre 2005 entstanden, deutlich vor der Kommunalwahl am 26. März 2006. Doch der Gesetzentwurf wurde vom Landtag weder beraten noch verabschiedet.

Erst im April 2006 erweckt Innenminister Bouffier das auf Eis gelegte Dokument zu neuem Leben. Zu diesem Zeitpunkt haben die Freien Wähler bei der Kommunalwahl beachtliche 5,2 Prozent erreicht. Wenige Tage nach dem Gespräch der Vorstände von CDU und Freien Wählern am 3. April, das beide Seiten so unterschiedlich darstellen, faxt Bouffier den Entwurf an den Landesvorsitzenden der Freien Wähler, Braun. Das Fax trägt handschriftliche Ergänzungen. Begünstigt werden sollen nun nur Wählergruppen, die sich mit einem Wahlvorschlag „ausschließlich“ an der Wahl von Gemeindevertretungen beteiligen und das Gesetz soll „zum 1.1.2006“ in Kraft treten, also rückwirkend für die Kommunalwahl. Beide Ergänzungen stammen, wie der Tagesspiegel zuverlässig erfahren hat, nicht aus der Fachabteilung des Ministeriums, sondern von der Hand des Innenministers. Bouffier selbst, gleichzeitig stellvertretender CDU-Landesvorsitzender, regt just nach dem Gespräch mit den Freien Wählern eine rückwirkende Kostenerstattung an und präzisiert das Ausschlusskriterium.

Es sei immer klar gewesen, so Ministerpräsident Koch und sein Innenminister, dass es für die Freien Wähler eine Kostenerstattung für ihre Kommunalwahlkämpfe nur geben könne, wenn sie gleichzeitig auf einen Antritt bei Landtagswahlen verzichten würden; mit einer erfolgreichen Landtagskandidatur seien nämlich Zahlungen aus dem Landesetat verbunden.

Die Opposition im Wiesbadener Landtag fragt nun: Wollte Koch den Freien Wählern „etwas Gutes tun“, weil er ihre langjährige Forderung für berechtigt hielt? Wieso wurde der Gesetzentwurf dann nicht weiterverfolgt?

Braun, der Landeschef der Freien Wähler, sagt, dass die Verbindung zwischen einem Verzicht auf eine Landtagskandidatur und einer sogar rückwirkenden Kostenerstattung für ihn am 3. April „neu“ gewesen sei. Der Ministerpräsident habe in dem Gespräch sogar vorgeschlagen, die Freien Wähler könnten ihre Entscheidung gegen eine eigene Landesliste doch um ein paar Wochen vorziehen, damit das Gesetz zügig verabschiedet werden könne.

Am Mittwoch wollen Koch und Bouffier vor dem Innen- und Hauptausschuss des hessischen Landtags die „grotesken“ Vorwürfe „endgültig abräumen“, so verlautet aus der CDU. SPD und Grüne schließen längst die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht mehr aus.

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