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Politik: Köhler: No-go-Areas wird es nicht geben

Der Bundespräsident lädt mehr als 100 Botschafter nach Brandenburg ein – die danken für die Offenheit

Nach den heftigen Diskussionen um No-go-Areas in Brandenburg hat Bundespräsident Horst Köhler mit 117 Botschaftern aus allen Gegenden der Welt kurz vor der WM einen ganztägigen Ausflug nach Brandenburg gemacht. Mit großer Offenheit ging er dabei auch auf die jüngsten Diskussionen ein und betonte in einer kurzen Ansprache beim Mittagessen am Rande der Landesgartenschau in Rathenow, „dass hier eine Politik betrieben wird, die klar macht, dass wir Rechtsextremismus nicht zulassen, und dass es keine No-go-Areas geben wird“. Unmissverständlich fügte er hinzu: „In unserem Land ist kein Klima, dass wir einen fundamentalen Rückfall in den Nationalsozialismus fürchten müssen.“ Es gehe jetzt darum, verblendeten, missbrauchten jungen Leuten neue Perspektiven zu zeigen. Zuvor hatte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck vor den Diplomaten eingeräumt, dass es Probleme mit rechtsextremer Gewalt gebe, dass aber Präventionsprogramme bereits sichtbare Erfolge zeigten, indem solches Gedankengut deutlich zurückgedrängt wurde.

Die Botschafter, darunter viele aus schwarzafrikanischen Ländern, waren im roten Weltmeisterschaftschaftszug von 1954 angereist und wurden von winkenden Menschen empfangen. Im Verlauf des Tages zeigten sich viele der internationalen Gäste überraschend gelassen angesichts der aktuellen Diskussion. „Fremdenfeindlichkeit gibt es überall“, lautete der Tenor gerade bei Botschaftern aus Afrika und Asien. „Aber hier wird sie wenigstens nicht versteckt, sondern thematisiert.“

Die Offenheit, mit der Köhler und Platzeck auf das Problem eingegangen waren, wurde durchweg sehr positiv aufgenommen. Der Botschafter von Malawi meinte, es sei zwar nur ein kleines Problem, aber gerade eine Erklärung wie die des Bundespräsidenten sei wichtig. Auf diese Weise sei er jedenfalls sicher, dass das Problem „überwunden wird“. Er wolle seine Leute ermutigen, nach Berlin und Brandenburg zu kommen, versicherte der Botschafter Usbekistans. Es gehöre viel Mut dazu, Ausländerfeindlichkeit zuzugeben. Auch der Botschafter von Sambia fand die Bemerkungen Platzecks und Köhlers „sehr ermutigend“ und war ausgesprochen angetan von der Idee dieses Ausflugs: „Wir müssen gerade jetzt hierher gehen, sonst ermutigen wir die Fremdenfeindlichen doch noch.“

Die ländliche Kaffeetafel am Nachmittag fand in der gelösten Stimmung eines rundum gelungenen Klassenausflugs statt. Das kleine Dorf Paretz präsentierte sich als Idylle. Zwischen restauriertem Schloss und Kirche flanierten auf dem Rasen Grüppchen zum Teil in Landestrachten gekleideter schwarzafrikanischer, südamerikanischer und fernöstlicher Botschafter zwischen Damen in preußisch höfischen Kostümen und bedienten sich vergnügt an langen Tafeln mit Kuchen und Torten, die die Einwohner selbst gebacken hatten. Kinder führten bunte Bändertänze auf, und ein Chor sang „Das Wandern ist des Müllers Lust“. Deutschland im malerisch anheimelnden Retro-Look, das kam an, obwohl immer mal wieder auch darüber gesprochen wurde, dass die Deutschen vor allem wirtschaftlich dringend spontaner, mutiger und bürokratiefreier werden müssten.

Im Schloss schauten sich die Exzellenzen und viele hochrangige Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes und des Bundespräsidialamtes die mit bürgerschaftlichem Engagement restaurierten Räume an. Auch zahlreiche Einwohner mischten sich unter die Gäste. Falls es Sicherheitskräfte gab, blieben sie dank der perfekten Organisation angenehm unsichtbar.

Mit einem Abschiedsblick auf das schöne Deutschland, das sich in Gegenwart so vieler Völker mitten in Brandenburg entfaltete, sagte der senegalesische Botschafter später auf der Rückfahrt im Zug: „Wir werden bestimmt mal wiederkommen.“ Viele seiner Kollegen stimmten ihm dabei zu.

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