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Politik: Kohl und die CDU: Geraune, Getuschel, Gerede

Das geht so nicht weiter", schimpft Friedbert Pflüger. Draußen vor der Glasfassade des deutschen Pavillons schlendern Besuchergruppen über das Expo-Gelände, drinnen tagt das CDU-Präsidium.

Von Robert Birnbaum

Das geht so nicht weiter", schimpft Friedbert Pflüger. Draußen vor der Glasfassade des deutschen Pavillons schlendern Besuchergruppen über das Expo-Gelände, drinnen tagt das CDU-Präsidium. Aus dem Tagungssaal geht der Blick auf eine große, schwarze Hallenwand, auf der immer der gleiche nackte Mann in Serie abgebildet ist, Momentaufnahmen eines Vorwärtsschreitenden. Der aufrechte Gang - eine stille Mahnung an die CDU-Spitze? "So geht das nicht weiter", wiederholt Pflüger. "Der Vorstand muss etwas zu Kohl sagen!"

Das wäre nun in der Tat keine dumme Idee. Monatelang war es still geworden um den Abgeordneten Kohl. Die neue Führung, Angela Merkel in der Partei, Merz in der Fraktion, hat sicher keine Heldentaten vollbracht, aber auch keine hanebüchenen Fehler gemacht. Dass es in jüngster Zeit allerlei unzufriedenes Gegrummel in der Fraktion gegeben hat - wer hätte anderes erwartet? So hätte das weitergehen können, Merkel und Merz hätten noch ein wenig geübt ... wenn, ja wenn nicht auf einmal der Abgeordnete Kohl wieder dagewesen wäre.

Und wie! Er hat den Untersuchungsausschuss abblitzen lassen, hat nebenher die Fraktion zu neuer Solidarität gezwungen: Ob Kohl selbst dafür sorgte, dass seine Treffen mit CDU-Obmann Andreas Schmidt bekannt wurden, oder ob er nur seine Chance erkannte, ist fast schon egal. Er ist wieder da. Und schart wieder einmal Truppen um sich.

Die haben sich denn auch prompt erkenntlich gezeigt. Der CSU-Abgeordnete Gerd Müller hat am Donnerstag in der Fraktionssondersitzung zur Steuerreform die CDU-Chefin barsch ermahnt, sie solle gefälligst aufhören, auf Kohl herumzuhacken. Dafür hat er sehr viel Beifall bekommen. Denn nicht nur der CSU-Block, sondern auch ziemlich viele CDU-Abgeordnete hatten im Grunde von Anfang an mit der Erneuerung nicht viel am Hut. Dieser Block hatte dann auch mit Wohlgefallen Signale registriert, dass die neue Führung den Altkanzler sachte heimholen wollte in die Partei, spätestens zum Jahrestag der Einheit am 3. Oktober. Und dann nach Kohls erstem Zeugenauftritt die zweite Distanzierung von Merkel und Merz - da kamen sie so schnell nicht mit.

Verschärfend kommt für die neue Führung hinzu, dass auch das ohnehin schon kleine Lager der "Erneuerer" mit seinen Helden unzufrieden ist. "Die Erneuerung läuft auf eine Sandbank nach der anderen", klagt einer, der mit Missfallen registriert, wie alle Ansätze, die CDU Kohls vorsichtig in Richtung Neuer Mitte zu schieben, von München aus abgebremst werden. Kontra bei Steuer, kontra bei Rente, kontra gegen die Homo-Ehe. Dass Edmund Stoiber just am Montag auf der Expo die bayerische Woche eröffnet, ist übrigens Zufall. Aber ein passender. Unmut macht sich breit. Merz trifft er am meisten, weil er sich in der Fraktion artikuliert. So viel Geraune, Getuschel und Gerede wie in den vergangenen Wochen hat der Saal der Unionsfraktion zu Zeiten Kohls, zu Zeiten Wolfgang Schäubles nicht erlebt.

Freilich muss man sagen: Mehr als Unmut ist es derzeit nicht. Der "größte Teil" der Fraktion sei gegen Merkels Umgang mit Kohl, sagt der Abgeordnete Hans-Otto Wilhelm. Das ist so falsch nicht. Richtig ist aber auch, was ein anderer Parlamentarier sagt: "Ein richtiger politischer Erfolg für Merkel und Merz, und die Meckerer ziehen alle wieder die Köpfe ein." Wahrscheinlich trifft der Bremer Landeschef Bernd Neumann das Problem am besten: "Die Leute wollen, dass endlich Schluss ist mit dieser ganzen Spendengeschichte." Neumann ist ein alter Kohl-Getreuer und kennt darum diesen Teil der Partei gut. Merkel übrigens kennt ihn auch ganz gut. Ratschläge, jetzt den Konflikt mit Kohl bis zum Bruch zu eskalieren, hat sie ignoriert. Nur im Präsidium hat sie noch einmal gesagt, was sie schon vorige Woche erklärt hatte. Die CDU werde Kohl da, "wo er um seine Ehre kämpft", in Schutz nehmen, werde scharf darauf achten, dass es im Untersuchungsausschuss um Sachaufklärung gehe und nicht um Parteitaktik. Aber die "offene Flanke" der "Fehler der Vergangenheit" bleibe daneben bestehen. "Dafür habe ich im Präsidium" - sie sucht lange nach dem richtigen Wort - "ungeteilte Zustimmung erhalten." Das stimmt: Widersprochen hat keiner. Ausdrücklich beigepflichtet haben aber nur Merkel-Getreue wie die Junge-Union-Chefin Hildegard Müller. Im Grunde hat Neumann nämlich recht: Die meisten wollen ihren Frieden mit dem Alten. Aber der gibt ihn nur zu seinen Bedingungen.

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