zum Hauptinhalt

Politik: Kolumbien befürchtet neue Welle der Gewalt

Vier Wochen vor der Wahl wurde die Schwester eines Präsidentschaftskandidaten von Unbekannten erschossen

Von Michael Schmidt

Die Ermordung der Schwester des kolumbianischen Ex-Präsidenten César Gaviria hat vier Wochen vor der Präsidentschaftswahl die Sorge vor weiteren Anschlägen wachsen lassen. Staatspräsident Alvaro Uribe äußerte die Befürchtung, dieser Gewaltakt könne, wie schon bei früheren Abstimmungen, den Auftakt einer Kette von Verbrechen bilden, die darauf abzielten, „das Land zu quälen“. Uribe setzte 100 Millionen Pesos (rund 346 000 Euro) für die Ergreifung der Verantwortlichen aus. Der Anschlag löste parteiübergreifend Empörung und Mitgefühl aus.

Juan Carlos Gaviria, ein weiterer Bruder der Ermordeten und Führer des oppositionellen Polo Democratico bei der Wahl am 28. Mai, sprach von einem „gravierenden Vorfall“. Horacio Serpa, Kandidat der Liberalen, verurteilte die „kriminellen Machenschaften“, die den Wahlkampf „mit Blut beschmutzen“. César Gaviria, von 1994 bis 1998 Präsident des Landes und später Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, äußerte sich noch nicht.

Die 59-jährige Liliana Gaviria war am Donnerstagabend in einem Vorort der Stadt Pereira, in der Provinz Risaralda, etwa 340 Kilometer von Bogotá entfernt, gefunden worden. Laut Polizei hatten vier bis fünf Bewaffnete versucht, die Frau zu entführen. Dabei sei es zum Schusswechsel mit den Leibwächtern gekommen. Einer der Begleiter Gavirias wurde getötet, ein weiterer verletzt.

Unklar war zunächst, ob auch Liliana Gaviria bei diesem Schusswechsel ums Leben kam oder erst später erschossen wurde. Und unklar blieb auch, wer hinter der Tat steht und mit welchen Motiven. Die Mafia? Die Guerilla? Paramilitärs? Gewöhnliche Kriminelle? Kolumbien befindet sich seit mehr als vier Jahrzehnten im Bürgerkrieg, an dem linke Rebellengruppen wie die Farc und die ELN, rechte Paramilitärs und die Drogenmafia mitwirken. Zwar ist die Zahl der Gewaltakte nach Regierungsangaben gesunken. Präsidentschaftsberater Jaime Bermudez sagte dem Tagesspiegel, die Zahl der Morde sei von 23 523 im Jahr 2003 auf 18 111 im Jahr 2005 und die der Entführungen von 2122 auf 800 gesunken. Dennoch gehört Gewalt zum Alltag, zählen Erpressung und Kidnapping nach dem Drogenhandel zu den einträglichsten Finanzierungsquellen. Die Provinz Risaralda gehört zu den unsichersten des Landes. Die Mordrate stieg dort 2005 um 23 Prozent , mit statistisch 99,3 Tötungsdelikten pro 100 000 Einwohner war sie die höchste.

Während die Regierung Uribe beteuert, von Drohungen gegen Liliana Gaviria nichts gewusst zu haben, bestätigen Angehörige, dass die Familie stets im Bewusstsein der Gefahr lebe. 1991 wurde der älteste Bruder der Familie, Fortunato Gaviria, Gouverneur der Provinz Calda von 1986 bis 1988, entführt und später tot aufgefunden. 1996 wurde der jetzige Präsidentschaftkandidat Carlos Gaviria von einer ELN-Splittergruppe entführt und 70 Tage lang festgehalten. Danach war Liliana Gaviria, die stets versucht hatte, sich aus der Politik herauszuhalten, mit ihrer Tochter für einige Jahre ins Exil in die USA gegangen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false