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Kommentar: Barroso sollte endlich Stärke gegen Merkel & Co. zeigen

Der wiedergewählte Kommissionspräsident Barroso ist am Ziel. Künftig sollte er aber weniger zahm mit Berlin, Paris und London umgehen. Ein Kommentar unseres EU-Experten Albrecht Meier.

An Geschmeidigkeit mangelt es José Manuel Barroso nicht. In seiner Jugend war der EU-Kommissionspräsident mal Maoist, seinen politischen Aufstieg in Portugal verdankt er einer liberalkonservativen Partei, und heute wäre er wohl am liebsten alles gleichzeitig – ein Liberaler, ein Konservativer und ein Linker. Diesen Eindruck konnte man zumindest gewinnen, wenn man Barrosos Werbetour durch das Europaparlament in der vergangenen Woche verfolgt hat. Der Portugiese hat den Abgeordneten aller Couleur alles Mögliche versprochen, um ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen. Dort ist er nun angekommen. Der alte Chef der EU-Kommission ist auch der neue: Barroso hat sein Mandat für eine zweite Amtszeit in der Tasche.

Gemessen an der Kritik, die von allen Seiten in den letzten Monaten auf ihn niedergegangen ist, kann Barroso mit dem Ergebnis seiner Wahl mehr als zufrieden sein. Trotz vieler Unkenrufe ist es ihm sogar gelungen, eine absolute Mehrheit der EU-Abgeordneten hinter sich zu scharen, obwohl ihm auch weniger Stimmen für die Wiederwahl gereicht hätten. Erst waren die Liberalen ins Barroso-Lager umgeschwenkt, und dann blieb auch den Sozialisten nicht viel anderes übrig, als sich der Stimme zu enthalten. Deren Fraktionschef Martin Schulz hatte noch im Europawahlkampf schweres Geschütz gegen den Kommissionschef aufgefahren. Nun spekuliert Schulz offenbar darauf, dass die Sozialisten demnächst mit einflussreichen Posten in Brüssel bedacht werden.

Das alles macht aus Barroso noch keinen starken EU-Kommissionspräsidenten. Der Portugiese mag seine Wiederwahl durch das Europaparlament einer Mischung aus taktischen Erwägungen und Brüsseler Konsenszwang sowie der Tatsache verdanken, dass es auf EU-Ebene eben nach wie vor keine Regierung und folglich keine echten Oppositionsparteien gibt. Die breite Mehrheit, die Barroso ihr Vertrauen gab, kann aber nicht die Schwächen des Kommissionschefs verdecken. Barroso hat es in seinen ersten fünf Jahren nicht geschafft, der EU-Politik seinen Stempel aufzudrücken. Als Europas Staats- und Regierungschefs ihn 2004 ins Amt hievten, bauten sie darauf, dass er ihnen möglichst wenig ins Handwerk pfuschen würde. Und tatsächlich erwies sich der Kommissionschef als handzahm. In der EU-Konjunkturpolitik konnte er keine eigenen Impulse setzen, auch in Fragen der Klimapolitik fragte er lieber dreimal in Berlin, Paris und London nach, statt es sich mit Merkel, Sarkozy, Brown und Co. zu verderben.

Zugegeben: Die Schwäche Barrosos ist nicht unbedingt dem Portugiesen persönlich anzukreiden. Sie hat auch System. Schon sein Amtsvorgänger Romano Prodi musste erleben, wie ihn seinerzeit Gerhard Schröder, Jacques Chirac und Tony Blair zur Seite schoben, um ihre Interessen in Europa besser durchsetzen zu können. Barroso hat in seiner zweiten Amtszeit die Chance, es besser zu machen als Prodi – und das Rückgrat der Kommission im Dauer-Clinch mit den Nationalstaaten zu stärken.

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