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Kommunalwahlen: Im Osten darf die NPD hoffen

Der Verfassungsschutz erwartet Erfolge der Rechtsextremisten bei den Kommunalwahlen am 7. Juni. Die Zahl der Kandidaten spreche für sich.

Von Frank Jansen

Früher hat er Besucher durch den Magdeburger Dom geführt, nun kandidiert der bekennende Christ Michael Grunzel auf der Liste der NPD bei den Wahlen zum Magdeburger Stadtrat. Vor knapp drei Jahren trat Grunzel in die rechtsextreme Partei ein, Domführer war er da schon nicht mehr. „Martin Luther würde heute NPD wählen“, sagt Grunzel, „Luther hat als Deutscher erst mal an sein eigenes Volk gedacht, dann an alle anderen.“ Domprediger Giselher Quast nennt Grunzel „einen tragischen Fall“. Dass der einstige Domführer zur NPD abdriftete, sei „Ausdruck einer Persönlichkeitsstörung“.

Die Kandidatur Grunzels zeugt vom Bestreben der NPD, sich am 7. Juni bei den Kommunalwahlen in sieben Ländern als Kraft „aus der Mitte des Volkes“ zu präsentieren. Aussicht auf punktuelle Erfolge gibt es vor allem in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. In Sachsen und Thüringen ist der 7. Juni zudem Testlauf für die Landtagswahl am 30. August.

Bei den Kommunalwahlen sei die NPD, trotz Finanzchaos und Streitereien, „das Gesicht des Rechtsextremismus“, sagt der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Die DVU spiele kaum eine Rolle, sie beschränke sich weitgehend auf den mit der NPD vereinbarten alleinigen Antritt bei der parallel stattfindenden Europawahl – mit der Aussicht auf ein Resultat eher unter einem Prozent.

In Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und dem Saarland, wo am 7. Juni ebenfalls Kommunalwahlen anstehen, habe die NPD indes kaum Chancen, sagt Fromm. Es mangelt an Parteistrukturen, außerdem konkurriert die NPD in einigen Regionen mit den „Republikanern“ um die gleichen Wählerschichten. Auch die Linkspartei könnte den Rechtsextremisten Protestwähler wegnehmen. Vor allem im Saarland – wo die NPD außerdem darunter leidet, dass sie zu den Kommunalwahlen einen verurteilten Sexualstraftäter als Kandidaten aufgestellt hat.

Im Osten verschaffen der NPD überraschende Kandidaturen Aufmerksamkeit. Der Fall Grunzel ist nicht der Einzige: In Sachsen-Anhalt steht auf dem NPD-Ticket auch der langjährige Chauffeur des früheren sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Reinhard Höppner, im thüringischen Lauscha geht der „Wehrführer“ einer freiwilligen Feuerwehr sogar für die NPD (bei der Wahl zum Kreistag) und die DVU (Stadtrat) ins Rennen. Die Masse der Kandidaten stellen indes einschlägig bekannte Rechtsextremisten, auch vorbestrafte. Dennoch hofft die NPD auf einen großen Schritt vorwärts im Osten, wo sie in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie in mehreren Kreistagen und sonstigen kommunalen Vertretungen sitzt – meist wirkungslos.

Fromm traut der NPD bei den Kommunalwahlen Mandatsgewinne, aber in der Summe auch im Osten nur „einen kleinen Schritt“ zu. Der jedoch in Sachsen etwas größer sein könnte, denn hier habe sich die Partei offenbar konsolidiert.

Die Zahl der Kandidaten spricht für sich. In Sachsen platzierte die NPD 327 Anhänger auf den Stimmzetteln – immerhin ein Drittel der Parteimitglieder im Land. Und deutlich mehr als anderswo. In Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen-Anhalt sind es jeweils etwas mehr als 70 Männer und Frauen, die für die NPD antreten. In Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und dem Saarland kann die Partei im Schnitt nur um die 20 Kandidaten aufbieten.

Sachsen sei für die NPD besonders wichtig, sagt Fromm. Die Kommunalwahlen hier könnten signalisieren, ob die Partei Chancen hat, am 30. August den Wiedereinzug in den Landtag zu schaffen. Es wäre der erste in der 45-jährigen Geschichte der Partei. Momentan liegt die NPD in Umfragen bei fünf Prozent. Die Partei versuche, in den sächsischen Kommunen den Wahlkampf mit betont bürgernahen Themen zu bestreiten, „die allerdings mit rechtsextremistischen Inhalten aufgeladen sind“, betont Fromm.

Das sieht dann so aus: Zur Stadtratswahl in Görlitz verbreitet die NPD ein „Programm“, in dem die Erhaltung der Straßenbahn gefordert wird, dann folgt Hetze gegen Migranten: „Görlitz soll eine deutsche Stadt bleiben“, heißt es, „der Zuzug von Polen, Tschechen und anderen Ausländern muss verhindert werden.“

Polenfeindliche Ressentiments schürt die NPD auch im strukturschwachen Ostvorpommern. Hier scheint die Partei ebenfalls relativ gut verankert zu sein, weshalb Fromm auch in dieser Region „negative Überraschungen“ bei den Kommunalwahlen nicht ausschließen will, bis hin zu zweistelligen Ergebnissen. Bei den Landtagwahlen hatte die NPD in Ostvorpommern rund zwölf Prozent erreicht. Doch Fromm warnt vor Panikmache: „Da bei den Kommunalwahlen die Fünf-Prozent-Hürde fehlt, bedarf es nicht allzu viel, um die Zahl der kommunalen Mandate merklich zu erhöhen.“ Doch in absoluten Zahlen werde die Bilanz der NPD am 7. Juni „überschaubar“ bleiben.

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