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Laut einer aktuellen Studie dürfte die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland sich bis 2050 nahezu verdoppelt haben – auf rund vier Millionen Menschen.

© dapd

Pflegereform: Kommunikationsprobleme in der Koalition

Deutschland altert und die Politik muss handeln. In der Koalition scheint ein Streit über die Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung entbrannt zu sein. Junge Unionsabgeordnete werfen der Regierung eine Hinhaltetaktik vor.

In der Koalitionsführung gebe es Überlegungen, die Pflegereform auf die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl 2013 zu verschieben. Das berichtete die „Süddeutsche Zeitung“. Das Gesundheitsministerium dementierte die Meldung. Eine Sprecherin sagte, Minister Daniel Bahr (FDP) wolle nach wie vor „im Sommer“ die Eckpunkte der Reform vorlegen und der Sommer „endet am 23. September“. Ziel sei es weiterhin, dass die Pflegereform im kommenden Frühjahr in Kraft tritt.

Die mögliche Verzögerung der Pflegereform verärgert die privaten Pflegedienstleister. „Ich habe wenig Verständnis dafür, dass die jetzt eventuell noch einmal aufgeschoben wird“, sagte Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste. Er hoffe, dass die Neuregelung „sehr, sehr bald“ komme.

Der Fachkräftemangel in der Pflege wird sich in den kommenden Jahrzehnten massiv verschärfen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Der IW-Studie zufolge dürfte die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland von derzeit 2,5 Millionen bis 2050 auf rund vier Millionen steigen. Entsprechend werde sich der Bedarf an Pflegefachkräften bis dahin auf bis zu 2,1 Millionen Beschäftigte mehr als verdoppeln, sagte der IW-Experte Dominik Enste. Derzeit arbeiten 970.000 Menschen im Pflegebereich.

Der Bundesverband privater Anbieter soziale Dienste (bpa) forderte unter anderem,  Pflegefachkräften aus dem Ausland die Zuwanderung zu erleichtern, auch aus Staaten außerhalb der EU. Bpa-Präsident Bernd Meurer wies darauf hin, dass heute bereits etwa 30.000 Beschäftigte fehlen würden. Auf drei unbesetzte Stellen in der Altenpflege komme nur eine arbeitsuchende Fachkraft.

Mehrere jüngere Unionsabgeordnete warfen den Spitzen von CDU/CSU und FDP eine Hinhaltetaktik bei der Reform der Pflegeversicherung vor. Die 22 Parlamentarier drängten auf eine baldige Reform der Pflegeversicherung. Die Pflichtversicherung müsse aus ihrer Sicht außerdem durch mehr private Zusatzvorsorge ergänzt werden. Dazu forderten sie die zügige Einführung eines Kapitalstocks. Da die Menschen immer älter würden, werde die Pflege ohne eine solche Rücklage schon bald nicht mehr finanzierbar sein.

Es gebe Kräfte in der Koalition, „die die dringend notwendige Umgestaltung der Pflegeversicherung auf die lange Bank schieben oder sich mit einem Mini-Umbau begnügen wollen“, kritisierte in der „Süddeutschen Zeitung“ der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn. Ohne eine Reform werde „das System Pleite gehen“, warnte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller. Beide zählen zu den Initiatoren eines Manifests, das die „SZ“ zitiert.

Der CSU-Gesundheitsexperte Max Straubinger warnte jedoch vor Zusatzlasten für die Versicherten. Die FDP-Pflegeexpertin Christine Aschenberg-Dugnus befürwortete einen zusätzlichen Kapitalstock. Sie machte die Union für die Verzögerungen bei der Pflegereform verantwortlich.

"Die Einführung einer obligatorischen privaten Zusatz-Pflegeversicherung würde dazu führen, dass die künftig steigenden Kosten für die Pflege allein von den Versicherten aufgebracht werden müssten“, warnte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Sie forderte ebenso wie die Grünen den raschen Umbau der Pflegeversicherung zu einer Bürgerversicherung. Gegen einen zusätzlichen Kapitalstock wandte sich auch die Linke.

(Afp/dapd)

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